Black Book

Held oder Bösewicht?

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Nach mehr als zwanzig Jahren Hollywood ist Paul Verhoeven mit einem Historienfilm über die Nazizeit in seine holländische Heimat zurückgekehrt. Sein neuer Thriller Black Book erzählt die wilde Liebesgeschichte zwischen einer Jüdin und einem hochrangigen SS-Offizier.
September 1944: Als das Versteck der jüdischen Sängerin Rachel Stein (Carice van Houten) von einer Bombe zerstört wird, gelingt es ihr, in den befreiten Süden der Niederlande zu fliehen. Dort schließt sie sich dem niederländischen Widerstand an und nimmt eine neue Identität unter dem Namen Ellis de Vries an. Als Spionin mit blond gefärbten Haaren heuert sie als Schreibkraft bei den Nazis an. Der deutsche Offizier des Sicherheitsdienstes Müntze (Sebastian Koch) verliebt sich in die attraktive, vermeintlich arische Dame, deren wahren Herkunft er bald aufdeckt. In 99 von 100 Fällen wäre das tödlich ausgegangen – doch Müntze entpuppt sich als „guter Nazi“ und verspricht seiner Geliebten Hilfe bei der Befreiung der holländischen Gefangenen. Als das Vorhaben scheitert und Ellis de Vries ins Keuzfeuer sowohl der Nazis und der Widerstandskämpfer gerät, kommt sie einem üblen Verräter auf die Spur...

Black Book basiert auf wahren Begebenheiten. Das titelgebende „Schwarze Buch“ hat tatsächlich existiert. Es gehörte einem Anwalt aus Den Haag, der während des Krieges zwischen den Deutschen und dem Widerstand verhandelte. Der Mann wurde nach dem Krieg erschossen, der Mord nie aufgeklärt, sein schwarzes Buch, das wahrscheinlich Namen von Verrätern und Kollaborateuren enthielt, wurde nie gefunden. Die Figur der Ellis de Vries setzt sich aus drei realen Personen zusammen. Der Film orientiert an dem von Chris Heyden geschriebenem Buch von 2001 „Grijs Verleden“, mit dem er die bisher in Holland gültige Formel “Held oder Bösewicht” außer Kraft setzt und aufzeigt, dass es auch unter den Bösen/Nazis Helden gab - und umgekehrt. Der Mensch im Teufel wird wunderbar von Sebastian Koch in der Figur des Nazi-Offiziers Müntze verkörpert, voller Ecken und Kanten – ein schauspielerisches Geschick wie er es auch in Florian Henkel von Donnersmarcks Stasi-Drama Das Leben der Anderen bewiesen hat.

Als sich der 1938 geborene Verhoeven nach dem Erotikthriller Der vierte Mann (1983) nach Hollywood verabschiedete, inszenierte er dort erfolgreiche Blockbuster wie Total Recall – Die totale Erinnerung (1990), Basic Instinct (1992) und Hollow Man – Die Unsichtbare Gefahr (2000). Auch Black Book ist auf ein breites Mainstream-Publikum ausgerichtet und im Vergleich zu anderen Nazifilmen eine recht saftige, gut verdauliche, unterhaltsame Kost. Bewegend, aber nicht erschütternd. Schauspielerisch brilliant, aber nicht umwerfend. Visuell stark, aber nicht berauschend. In die Endrunde der diesjährigen Oscar-Nominierung hat es Verhoeven nicht geschafft, aber von Hollywood hatte er ja ohnehin schon Abschied genommen und das ist gut so.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/black-book