Dialog mit meinem Gärtner

Vom Entstehen und Vergehen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wie häufig bei Filmen, in denen es kräftig menschelt, so bezieht auch Jean Beckers Dialog mit meinem Gärtner / Dialogue avec mon jardinier seinen Reiz aus der Gegensätzlichkeit seiner beiden Hauptcharaktere. Ein Pariser Maler und Kunstdozent (die französische Allzweckwaffe Daniel Auteuil) und ein einfacher Mann vom Lande, ein Gärtner (Jean-Pierre Daroussin) bilden hier ein ungleiches Paar, das entdeckt, dass es einander viel zu geben hat. Der Künstler ist der Prototyp eines großstädtischen Intellektuellen – welt- und wortgewandt, gepflegt, kunstsinnig. Vielleicht ist es eine Laune, vielleicht auch eine gewisse Leere, ein Überdruss – auf jeden Fall macht sich der Maler auf an den Ort seiner Kindheit, einem kleinen Dorf im Süden Frankreichs, um dort im Haus seiner Eltern seinen Wurzeln nachzuspüren und zu begreifen, wie er zu dem wurde, was er heute ist. Für die Pflege des riesigen verwilderten Gartens sucht er einen Gärtner, und tatsächlich meldet sich schon bald ein Freund aus Kindheitstagen auf die Annonce. Dieser Gärtner ist ein einfacher Mann ohne Bildung, ein Gleisarbeiter, der Zeit seines Lebens nie aus seinem Geburtsort herausgekommen ist. Und doch verbergen sich unter der rauen Schale erstaunliche Talente und eine große Liebe zum Einfachen, Kreatürlichen, zur Natur. Mit der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden ungleichen Männern eine Freundschaft, in der es um die einfachen Dinge geht – um den Fluss der Zeit, um das Wachsen und Gedeihen von Obst und Gemüse, um das Glück, um die Familie, um die Kunst und das Leben. Doch den beiden Männern bleibt nicht mehr viel Zeit, um ihr Beisammensein zu genießen…
Es ist kein Zufall, dass die beiden Männer in Jean Beckers Melodram über eine Freundschaft auf Zeit und die wichtigen Dinge des Lebens lediglich über ihre Berufe und nicht über ihre Namen charakterisiert werden. Dies sowie die Bedächtigkeit der Erzählung, die kontemplativen Bilder und Bedeutungsschwere der Dialoge geben dem Film eine beinahe religiöse Anmutung, mehr als einmal fühlt man sich an biblische Gleichnisse und Parabeln erinnert, bei denen es wie in Dialog mit meinem Gärtner / Dialogue avec mon jardinier ebenfalls um die Frage der richtigen Lebensführung geht. Welchem Lebensmodell der Regisseur selbst den Vorzug gibt, steht völlig außer Frage: Seine Sympathien liegen auf der Seite des einfachen und bescheidenen Gärtners, der sein Leben im Einklang mit der Natur und den Elementen führt. Man mag dies als rückwärts gewandt, simplifizierend und undifferenziert abtun. Doch es ist zu vermuten, dass Becker und seine beiden Hauptfiguren damit vielen Menschen aus dem tiefsten Innersten sprechen. In immer komplizierter werdenden Zeiten wie den unsrigen ist die Sehnsucht der Menschen nach dem Einfachen anscheinend übermächtig.

Dialog mit meinem Gärtner / Dialogue avec mon jardinier ist ein Film zum Träumen, Schwelgen und Nachdenken, tiefgründig, sentimental, manchmal kitschig, aber immer herzerwärmend – also durchaus passend für die Weihnachtszeit. Zumal die Bilder vom sommerlichen Leben auf dem Lande und die tiefsinnigen, geschliffenen, beinahe literarischen Dialoge in diesen kalten Tagen eine Erinnerung an die warmen Tage geben – Seelenfutter in seiner reinsten Form. Da kann man auch schon einmal drüber hinwegsehen, dass manches an diesem Film doch reichlich schlicht geraten ist.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dialog-mit-meinem-gaertner