Liebesleben (2007)

Geschichte einer Amour fou

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Wer Liebesleben von der israelischen Autorin Zeruya Shalev liest, wird von seiner Anziehungskraft sofort in den Bann gezogen. Die fatale Liebesgeschichte um die junge Jara und den älteren Arie wird jetzt auf die Leinwand gebracht. Es ist zugleich das Regiedebüt der Schauspielerin Maria Schrader, die sich für ihren Debütfilm mitten in das quirlige und angespannte Jerusalem stürzt.

Alles beginnt mit einem Picknick, dass Jara (Netta Garti) zum 60. Geburtstag ihres Vaters macht, zu dem ihre Eltern (Tovah Feldschuh und Stephen Singer) jedoch nicht erscheinen. Enttäuscht packt sie wieder zusammen und kehrt voller Sorge in die Stadt zurück. Ist etwas passiert? Ständig heulen überall Sirenen. Gab es einen Anschlag? Als Jara nach Hause kommt, öffnet ein fremder Mann die Tür: Es ist Ari (Rade Sherbedgia), ein Freund ihrer Eltern, der nicht nur Schuld an Mutters plötzlichen Nervenzusammenbruch hat, sondern fortan auch Jaras Leben völlig durcheinander wirbelt.

Jaras Leben verlief bis zu diesem Tag in geregelten Bahnen: Sie ist glücklich verheiratet, hat beste Aussichten auf eine Karriere an der Universität, lebt in einer schönen Wohnung und hat eine intakte Familie. Doch der um viele Jahre ältere Ari scheint etwas in ihr zu wecken, das sie bisher noch nicht erlebt hat. Wie ein ausgehungerter Löwe stürzt sie sich auf ihr Opfer, wobei von Anfang an klar ist, dass sie die Schwächere in dem Spiel ist. So treffend Aris Worte als die beiden an die Küste fahren: "Du bist hungrig und ich bin satt." Er gelangweilt vom Leben, sie mittendrin im emotionalen Strudel. Doch was als fatale Affäre beginnt, endet mit einer Offenbarung: Jaras Eltern und Ari hüten ein Geheimnis, das jahrelang totgeschwiegen wurde, ein Geheimnis, was dem Ganzen noch tiefere Abgründe hinzufügt.

Liebesleben ist eine Reise mitten in die Seele zweier ungleicher Menschen, eingefangen in wunderschönen Bildern des Kameramanns Benedict Neuenfels, der u.a. auch schon für Deine besten Jahre (1998, Regie: Dominik Graf) und Die Fälscher (2007, Regie: Stefan Ruzowitzky) hinter der Kamera stand. Seine Kamera erforscht nicht nur die Gesichter und Körper der Figuren, sondern auch das Umfeld, in dem sie sich bewegen: die Kontrollposten, die Wüstenlandschaft, die Wohnhäuser. Die politische Situation Israels wird nicht vordergründig thematisiert, sondern geschickt in den Plot verwoben. So hat Jara zum Beispiel Angst mit dem Bus zu fahren, was ihr leider zum Verhängnis wird als sie mit Arie an die Küste fährt und er sie dort bitter enttäuscht.

Bei der Verfilmung des Bestseller-Romans von Zeruya Shalev führte Maria Schrader nicht nur Regie, sondern schrieb auch gemeinsam mit Laila Stieler das Drehbuch. Ihr Schauspieldebüt gab die gebürtige Hannoveranerin 1983 als Schülerin am Staatstheater Hannover. Seitdem stand sie in mehreren großen Kinofilmen vor der Kamera, darunter Aimée und Jaguar (1998, Regie: Max Färberböck), Väter (2002, Regie: Dani Levy), Rosenstrasse (2003, Regie: Margarethe von Trotta) und Schneeland (2005, Regie: Hans W. Geißendörfer). Mit ihrem Regiedebüt beweist sie, dass sie nicht nur ein Händchen für das Spiel vor der Kamera, sondern auch für die Arbeit dahinter hat.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/liebesleben-2007