Der Entsorgte Vater

Männer als Verlierer der Rosenkriege

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Dass vor allem die Kinder die Leidtragenden sind, wenn es zu einer Trennung oder gar Scheidung der Eltern kommt, dürfte kaum jemand bezweifeln. Doch in der Schlacht um Unterhalt, Sorgerecht und um Besuchszeiten sind es auch immer wieder die Väter, die den Rosenkrieg verlieren, weil ihnen der Umgang mit den eigenen leiblichen Kindern verboten wird. Und oft genug geschieht dies aus fadenscheinigen Gründen und auf richterliche Anordnung hin. Die seelischen Schäden und Verwundungen, die dies bei allen Betroffenen hinterlässt, amerikanische Psychologen haben hierfür die Begrifflichkeit des "Parental Alienation Syndrome" (kurz: PAS) entwickelt.
Der Filmemacher Douglas Wolfsperger (Bellaria – Solange wir leben, Blutritter) ist selbst Betroffener eines solchen Rosenkrieges und hat nun mit Der Entsorgte Vater einen erschütternden Dokumentarfilm über Männer gedreht, die in einer ähnlichen Lage sind wie er. Erschreckend daran sind nicht nur die einzelnen Schicksale, sondern auch, dass dies anscheinend weitaus häufiger vorkommt, als man glauben mag. Und dass es erst eines Films wie Der Entsorgte Vater bedarf, um das Problem ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu hieven.

Am Anfang des Films stand eine Erschütterung: Nach jahrelangem Streit mit seiner Ex-Freundin um den Umgang mit seiner Tochter wurde Douglas Wolfsperger von einem Gericht in Berlin dazu aufgefordert, zum Wohle des Kindes von diesem Abschied zu nehmen und sich von ihr zu verabschieden – und zwar endgültig. Ein Akt seelischer Grausamkeit, wie man ihn sich schlimmer kaum vorstellen kann. Die letzte Reise Wolfspergers zu seiner Tochter bildet so etwas wie den roten Faden des Films und gibt den Anlass für Begegnungen mit anderen Männern (und einer Frau), die die extreme Form des Rosenkrieges, bei denen die gemeinsamen Kinder rücksichtslos als Waffe eingesetzt werden, am eigenen Leib erfahren mussten.

Da ist beispielsweise Franzjörg, der seit 14 Jahren von der Mutter seiner beiden 24 und 15 Jahre alten Töchter getrennt lebt. Zu seiner älteren Tochter hat er trotz seiner Bemühungen seit mehr als 10 Jahren keinen Kontakt mehr und musste irgendwann an seiner Schule erfahren, dass seine Tochter einige Monate lang an seiner Schule ein Praktikum gemacht hatte – ohne dass er sie erkannt oder sie sich ihm zu erkennen gegeben hätte. Nach seinen jahrelangen Erfahrungen im Kampf um einen geregelten Umgang mit seinen Kindern gründete Franzjörg die Initiative VafK Karlsruhe (Väteraufbruch für Kinder e.V.), deren Sprecher er auch heute noch ist. Eine Funktion, die ihn zu einem Experten für entsorgte Väter werden ließ.

Auch Harald ist ein Betroffener, dessen Weihnachtspakete an seine Kinder stets ungeöffnet und mit dem Vermerk "Annahme verweigert!" zurückgesandt werden. Den Umgang mit ihrem Vater lehnen seine beiden 13 und 11 Jahre alten Töchter strikt ab – ein klassischer Fall der "Parental Alienation Syndrome", wie er immer häufiger vorkommt.

Ungleich perfider liegt der Fall von Bernd, der seit dem Jahre 2001 von seiner Frau getrennt lebt. Immer wieder wurden Anschuldigungen seitens der Familie seiner Ex-Frau gestreut, der Vater habe das Kind sexuell missbraucht. Allerdings ergab die psychotherapeutische Betreuung der Tochter keinerlei Hinweis auf solche Vorkommnisse. Doch irgendetwas bleibt immer hängen. Und zuletzt ist da noch der Polizist Ralf, der 2007 geschieden wurde und seitdem um einen weiteren Tag mit seinen beiden Kindern (5 und 8 Jahre alt) kämpft. Doch dieser Wunsch, der ihm auch gerichtlich zugesichert wurde, scheitert bislang an einem Boykott seiner Ex-Frau.

Als einzige Frau im Bunde repräsentiert die Musikerin Birgit die andere Seite, den anderen Blick auf den Kampf ums Sorgerecht, in denen die Männer aufgrund ihrer (so nennt es einer der betroffenen Männer selbst) "Naivität" häufig den Kürzeren ziehen. Mit erstaunlicher Offenheit schildert Birgit ihre Sicht der Dinge und macht deutlich, dass Vaterschaft für sie in erster Linie "ja immer nur Erzeugung" meint. Eine ernüchternde Analyse und Dekonstruktion des Familienidylls, wie es Werbung und Politik propagieren. Doch die Erfahrungen von Männern wie Douglas Wolfsperger und all den anderen geben ihr Recht.

Dass sich an der dahinter durchscheinenden impliziten Rollenverteilung auch im 21. Jahrhundert und in einer aufgeklärten Gesellschaft wie der unseren trotz etlicher gesetzlicher Initiativen nichts geändert hat, darin liegt die Sprengkraft dieses Film, der neben persönlichen Schicksalen auch eines der wenigen noch verbliebenen Tabus aufzeigt.

Douglas Wolfsperger Film Der Entsorgte Vater könnte gerade wegen seiner gnadenlosen und niemals verschleierten Subjektivität ein wichtiger Impuls werden, sich mit diesem Tabu näher auseinander zu setzen und Maßnahmen zu ergreifen, die endlich einmal darauf abzielen, getrennt lebenden Eltern – gleich welchen Geschlechts – einen regelmäßigen Umgang mit ihren eigenen Kindern zu ermöglichen. Es wäre – auch wenn manche Gerichte genau dies negieren – insbesondere für die weitere Entwicklung der Kinder ein längst überfälliger Schritt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-entsorgte-vater