Buried - Lebend begraben

Bei Anruf Horror

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Filme, die auf engstem Raum spielen, haben ihren eigenen Reiz. Aber das hat wohl noch niemand versucht: 93 Minuten lang spielt sich alles nur in einem Sarg ab. Dem Spanier Rodrigo Cortés ist mit seinem zweiten Langfilm ein klaustrophobischer Nervenkitzel gelungen – ein formales Meisterstück über ein Thema, das vermutlich nicht jedermanns Sache ist.
Der Amerikaner Paul Conroy (Ryan Reynolds) wird – wie der Filmtitel schon sagt – lebendig begraben. Wie er mit gefesselten Händen und einem Knebel im Mund in den Sarg kam, weiß er selbst nicht. Er wird wach und der Albtraum beginnt. Erst im Laufe dieser unerträglichen Gefangenschaft wird ihm wie dem Zuschauer einiges klarer. Der Mann unterstützte als Lastwagenfahrer die US-Armee im Irak. Sein Trupp geriet in einen Hinterhalt. Die Überlebenden werden nun von Aufständischen als Geiseln gehalten, um von der US-Regierung Lösegeld zu erpressen. Deshalb haben die ebenso fanatischen wie diabolischen Kidnapper dem Familienvater ein Handy in den Sarg gelegt. Ihm bleiben nur wenige Stunden – nicht nur wegen eines Ultimatums, sondern auch, weil der Sauerstoff knapp und der Akku leer wird.

Mehr sollte man nicht verraten, denn der Reiz dieses Films liegt zum großen Teil in seinem Spannungsbogen und den perfekt platzierten Wendungen. Nur so viel: Das Ganze spielt sich tatsächlich von Anfang bis Ende nur in diesem engen Sarg ab. Es gibt keine Rückblenden, nicht einmal auf den Überfall. Und Pauls Gesprächspartner am Handy sind lediglich zu hören, nie zu sehen. Auf dieses Enge-Gefühl und auf den Horror einer solchen Lage muss sich der Zuschauer einlassen können, sonst wird es schwer, eineinhalb Stunden durchzuhalten.

Denn der Regisseur tut einiges dafür, den nicht enden wollenden Schrecken spürbar zu machen. Das beginnt mit der Dunkelheit, die den Helden wider Willen anfangs umgibt, und endet noch lange nicht bei dem Geflacker des Feuerzeugs, dessen Lichteffekte die vibrierende Spannung anheizen. Klugerweise bauen Rodrigo Cortés und sein Drehbuchautor Chris Sparling jedoch nicht auf eine linear sich verschärfende Dramaturgie. Immer wieder gönnen sie dem Helden eine Ruhepause, die freilich aus der schieren Erschöpfung des verzweifelt nach Hilfe Lechzenden resultiert.

Ryan Reynolds spielt diesen Überlebenskampf mit einer bewundernswerten Bandbreite. Der gut aussehende Schauspieler, der in Selbst ist die Braut den Mann an der Seite von Sandra Bullock gegeben hatte, lässt Hoffnung so glaubhaft erscheinen wie Verzweiflung. Er tobt und weint, hyperventiliert und beruhigt sich wieder. Niemand weiß, was ein Mensch durchmachen würde, der sich tatsächlich in einer solchen Lage befände. Aber Ryan Reynolds agiert so, als hätte er es erlebt.

Mit klassischen Horror-Elementen geht Buried – Lebend begraben vergleichsweise sparsam um. Das ist gut so, verkörpert doch allein die Ausgangslage des erbarmungswürdigen Opfers einen kaum zu überbietenden Schrecken. Die wichtigsten formalen Gestaltungsmittel sind die des Thrillers, der ins Extrem gesteigert wird. Schlimmer kann es ja eigentlich nicht kommen, mag man als Zuschauer denken. Aber das ist ein fataler Irrtum. Da geht noch so einiges.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/buried-lebend-begraben