Gianni und die Frauen

Das ewige Muttersöhnchen

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Normalerweise setzt das Autorenkino ja nicht auf Fortsetzungen. Und normalerweise ist das auch gut so. Aber nun hat der Italiener Gianni di Gregorio den Versuch gewagt, die wunderbare Leichtigkeit seines Überraschungsdebüts Das Festmahl im August in einen zweiten Film zu retten - mit teilweise denselben Schauspielern, demselben Schauplatz und ähnlichen Konflikten. Und siehe da: Der zweite Teil dieser Spätsommerkomödie schlägt sich gar nicht so schlecht.
Wie im Festmahl ist es nicht die (undramatische) Handlung, die den Reiz der alltagsnahen Milieustudie ausmacht. Es sind die lebensprallen Charaktere, die mit ihrem herben Charme für einen lakonischen Humor sorgen. Dabei weiß man gar nicht so recht, ob Gianni di Gregorio bei der Figurenzeichnung den Karikaturstift ansetzt oder ob die Schauspieler im Wesentlichen sich selbst spielen. Jedenfalls gibt Valeria di Franciscis Bendoni, die schon im ersten Film die weit über 90-jährige Mutter von Gianni so großartig eigensinnig verkörperte, im Presseheft zu Protokoll: "Ich denke nie, dass ich schauspielere." Und auch der gelernte Schauspieler Gianni di Gregorio bekennt, dass es kein Zufall sei, wenn die Personen im Film die Namen der Schauspieler tragen. Er möchte den Rollen ganz bewusst eine ordentliche Portion wahres Leben mitgeben.

Aber selbst wenn der langjährige Regieassistent, der erst mit Ende 50 sein Debüt startete, mit demselben Mutterkomplex ausgestattet sein sollte wie der Gianni im Film, so ist doch eines nicht zu übersehen: Dieser Melancholiker ist eine Filmfigur par excellence. Er reiht sich vorzüglich ein in die Reihe der warmherzigen Verlierer, der traurigen Tramps und verwirrten Stadtneurotiker, die das Publikum seit Jahrzehnten verzücken. Mit seinen eingezogenen Schultern, dem Dackelblick und den tiefen Augenringen ist er die Idealbesetzung für den ewigen Verlierer, der trotzdem niemals aufgibt und dadurch seinem tristen Schicksal eine unverhoffte Würde verleiht.

In Gianni und die Frauen / Gianni e le donne ist der Regisseur und Hauptdarsteller also erneut das liebe Muttersöhnchen, das es jedem recht macht und niemals nein sagen kann. Gianni ist zwar diesmal verheiratet und hat eine erwachsene Tochter, aber seine greise, aristokratische Mutter (Valeria di Franciscis Bendoni) spielt nach wie vor die erste Geige. Ob es darum geht, dem Damenkränzchen beim Pokern den Champagner nachzuschenken oder zu später Stunde einen Knopf am Fernseher zu verstellen – Gianni ist immer zur Stelle. Schließlich hat der Endfünfziger wenig zu tun, seit ihn sein Arbeitgeber vorzeitig in den Ruhestand schickte. Und so verliert Gianni in der Aufopferung für andere die Lust am eigenen Leben. Bis ihn eines Tages sein Freund, der Anwalt Alfredo, daran erinnert, dass er als einziger seiner Altersklasse keine jüngere Geliebte hat, die ihm frische Lebensgeister einhauchen könnte.

Was äußerlich als verspätete Midlife-Crisis daherkommt, ist zugleich eine Meditation über den Charme der verpassten Möglichkeiten. Gianni trifft mit seinem wiederbelebten erotischen Interesse auf durchaus aufgeschlossene jüngere Frauen. Aber entweder versteht er etwas falsch oder er stellt sich allzu umständlich an. Und als es endlich einmal zu klappen scheint, ruft im denkbar ungünstigsten Moment die Mama an.

Mit zurückhaltender und feinfühliger Kamera blättert Gianni und die Frauen das Bilderbuch eines beschaulichen Lebens im römischen Stadtteil Trastevere auf – eine Hommage an die kleinen Freuden des Alltags und das von Müßiggang geprägte "süße Leben". Klar, eine solche Szenerie böte genügend Raum für einen dritten Gianni-Film, eine Trilogie sozusagen. Aber spätestens dann dürfte sich das Überraschungsmoment, das auch im zweiten Film noch für gelungene Situations- und Charakterkomik sorgte, weiter abgenutzt haben. Endlosreihen á la Planet der Affen (7) darf das Autorenkino gern dem Mainstream überlassen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/gianni-und-die-frauen