Zimmer 205 - Traust Du Dich rein?

Hüte dich vor dem schwarzen Schlamm

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

So altehrwürdig das Genre des Geisterfilms auch ist – heute noch einen Horrorthriller zu drehen, in welchem übernatürliche Erscheinungen vorkommen, erfordert entweder Mut oder ausgeprägten Stilwillen. Im von Rainer Matsutani inszenierten deutschen Remake des dänischen Kollegiet aus dem Jahr 2007 kündigt sich das Böse an, indem aus Dübellöchern oder der Kanalisation schwarzer Schlamm quillt. Man hört dazu ein Raunen, Flüstern, Wimmern. Die elektrische Beleuchtung flackert, bevor sie ganz ausgeht. Aus der Umgebung des Uni-Neuzugangs Katrin (Jennifer Ulrich), die gerade das Zimmer 205 im Studentenwohnheim bezogen hat, wird eine Person nach der anderen um die Ecke gebracht. Immer ist sie jeweils nahe genug, um die Morde vielleicht selbst begangen zu haben. Mit dieser Möglichkeit spielt der Film geschickt, um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
Das Drehbuch von Eckhard Vollmar für die deutsche Neuversion streut von Anfang an gezielt Zweifel an der geistigen Gesundheit Katrins. Ihr Vater (Hans Uwe Bauer), der sie ins Studentenheim bringt, erinnert sie daran, dass sie ihre Medikamente nehmen soll. Sie bestehen aus mehreren Packungen mit gewichtigen Namen, ganz so, als wäre sich der Arzt, auf dessen Rat hin die 19-Jährige jetzt ihr eigenes Leben führen will, doch nicht ganz sicher gewesen. In der Psychologievorlesung, in der der Professor von "Leichen im Keller" und Wahnvorstellungen spricht, schreit Katrin plötzlich auf, weil sie eine gruselige Gestalt in einer roten Kapuzenjacke im Auditorium sieht.

Zimmer 205 birgt ein düsteres Geheimnis: Seine vorige Bewohnerin Annika (Julia Dietze) verschwand spurlos. Vielleicht haben Katrins neue Kommilitonen, die auch Annika kannten, etwas damit zu tun? Zu dieser undurchsichtigen Freundesclique zählen der nette Christian (Daniel Roesner), die aggressive Sanne (Marleen Lohse), die Medizinstudentin Carmen (Inez Björg David), die schnell Katrins Labilität erkennt, der Hacker Dirk (Tino Mewes) und Niko (Florian Jahr). Einen von ihnen ereilt der Tod im Waschkeller, da sind es nur noch vier. Ein Videotagebuch der Verschwundenen taucht auf, das Katrins detektivische Neugier schürt. Ihr eigenes Kindheitstrauma lässt auch den Vater plötzlich suspekt erscheinen. Kommissar Urban (André Hennicke) bringt mit seinem Hut und der übernächtigten Miene eine Prise Film noir in das Geschehen.

Die Erwartungen des Zuschauers, der erkennen muss, wie sehr er durch andere Horrorthriller bereits vorkonditioniert ist, nutzt der Film für spannende Vexierbilder. Opfer und Täter sind in einem tödlichen Reigen verbunden, in welchem die Rollen nach dem Prinzip, wer angefangen hat, sortiert werden müssen. Die Orientierungssuche gleicht einem Rätsel voller Wandlungen. Zu den schwankenden Gewissheiten passt, dass sich die Tatorte des Schreckens plötzlich verändern können, als hätte man vorher nicht bemerkt, wie viel Wäsche zum Trocknen im Keller hängt und den Blick versperrt, wie viele Plastikfolien die Möbel und den Boden im Abstellraum bedecken.

Das Erschrecken funktioniert ganz altmodisch und dabei erstaunlich gut. Die Kulisse hingegen übertreibt es mit der düsteren Atmosphäre: Das Studentenwohnheim könnte kein hässlicherer Betonbunker sein, überall, selbst in Katrins Elternhaus schwelgt die Einrichtung in zweckmäßigem Antischick, der wie aus den Siebzigern anmutet, und drückt mit dunkelgrauen Farben aufs Gemüt. Draußen liegen Schneereste. Dass es nirgends eine attraktive, von der Trostlosigkeit unkontaminierte Umgebung gibt, wirkt ähnlich gewollt wie der Gehalt der oft hölzernen Dialoge. Mit Ausnahme der von Ulrich ernst und angenehm normal gespielten Katrin bleiben die Charaktere unstet und machen mit ihren dürftigen Konturen einen realitätsfernen Eindruck. Wie der Film auf inhaltlicher Ebene zwischen Mystery und Psychothriller changiert, so mischt er auch in der Gestaltung fragwürdige mit spannenden und ansprechenden Elementen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/zimmer-205-traust-du-dich-rein