The Broken Circle (2012)

Unter die Haut und mitten ins Herz

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Es gibt bei jeder Berlinale (mindestens) einen dieser Filme, die vor allem in den beiden Sektionen Panorama und Forum laufen und die einem angesichts cineastischer Schmalkost im Prunkstück Wettbewerb zumindest kurzfristig den Glauben an das Kino zurückgeben, weil sie es verstehen, Intellekt und Gefühl gleichermaßen anzusprechen, weil sie Geschichten erzählen, die bewegen, die uns zum Weinen bringen und zum Lachen, zum Nachdenken und zum Mitfiebern. Bei der Berlinale 2013 kam diese Rolle vor allem einem Film zu, der schließlich auch den Publikumspreis des Panoramas gewann: Felix van Groeningens hinreißende Tragödie The Broken Circle. Dieser Film hat das Zeug dazu, auch abseits des Festivalbetriebes als Liebling der Herzen die Gunst eines größeren Publikums zu erringen.

FilmkritikerInnen sind auch nur Menschen. Bei The Broken Circle hat das auch jeder gesehen, denn ohne Weinen ging dieser Film nicht. Um genau zu sein, hat die gesamte Stuhlreihe, in der ich saß, geweint. Zusammen und nicht gerade leise. Das war mehr ein gemeinschaftliches und sehr leidenschaftliches Trauern mit den Figuren auf der Leinwand. Und diese Tränen wurden nicht durch Kitsch, Romantik oder massive Tränendrüsenmelkerei erzeugt, sondern entstanden einfach aufgrund des stringenten und konsequenten Erzählens einer Geschichte, die das Leben eben erzählt.

The Broken Circle ist eine Adaption des gleichnamigen Theaterstückes von Johan Heldenbergh, der im Film auch die Hauptrolle des Didier übernimmt. Didier ist Flame, lebt auf dem Land und hat eine Bluegrass-Band. Er liebt das Leben, er liebt Amerika als das Land der Freiheit. Didier redet viel, hat zu allem eine Meinung und verkörpert eine Mixtur aus hoffnungslosem Romantiker und totalem Vernunftmenschen. Er trifft Elise (Veerle Baetens), eine junge, lebensfrohe Frau. Sie ist Tätowiererin und ihr Körper ist voller Bilder. Jedes Tattoo trug einst den Namen eines Liebhabers, jetzt sind alle Namen übertätowiert. Man ahnt, Elise hat keine einfache Vergangenheit. Sie ist ruhig, hört zu und sagt wenig. Doch trotz ihrer Sensibilität strotzt sie nur so vor Stärke. Didier und Elise verlieben sich Hals über Kopf.

Und dann ist da noch die Musik. Bluegrass bestimmt den Film, an jedem emotional wichtigen Punkt wird sie eingesetzt. Dabei gelingt es Regisseur Felix van Groeningen ganz unaufdringlich den Soundtrack als eines der wichtigsten narrativen Elemente zu verankern: wo Worte fehlen, wo niemand mehr etwas sagen kann, da wird gesungen. Und so singt die Bluegrass-Band auf der Hochzeit von Didier und Elise, sie singt, wenn Jahre später die kleine Tochter aus dem Krankenhaus nach einer Chemotherapie zurückkehrt. Und dann, man ahnt es, singt sie auch zu ihrer Beerdigung. Das werden nicht die einzigen Songs bleiben, denn der Tod ihres Kindes zehrt an der großen Liebe. Didiers Wut und Vernunft trifft auf Elises Trauer und Spiritualität und genau hier ist es, da der Film weit über die Lebensgeschichte zweier Menschen hinausgeht.

The Broken Circle, das ist der Kreis des Lebens, der mit dem Tod des eigenen Kindes unterbrochen wird. Der Bruch erfolgt im Schnitt: es gibt keine Chronologie, vielmehr wird Didiers und Elises Geschichte in einer sich hin und her bewegenden Asynchronität beschrieben. Auf die glücklichsten aller Momente folgen die traurigsten, auf Liebe folgt Trauer, auf Ruhe folgt Chaos. "Das Leben", sagt Elise einmal, "ist nicht großzügig". Der Film ist es schon. Er lässt viel Raum zum Nachdenken und vor allem zum Fühlen. Wenn man dann im Kino weint, weint man nicht nur ob des Schicksals dieser zwei Liebenden. Man weint um sein eigenes.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-broken-circle-2012