Zweier ohne

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Team ohne Steuermann

Gegen die verstörenden Bollwerke der Außenwelt beim Erwachsenwerden gibt es kein wirk- und heilsameres Gegenmittel als einen Verbündeten in gleicher Situation, einen loyalen Gefährten – einen guten, wenn nicht gar besten Freund. Jobst Christian Oetzmanns Coming-of-Age-Film Zweier ohne erzählt die Geschichte einer solchen Freundschaft, die aus einer gemeinsamen Passion erwächst: dem Rudersport, bevorzugt in der Bootsklasse Zweier ohne Steuermann, die ein Höchstmaß an Koordination und Synchronisation von den Sportlern erfordert.
Als die beiden 17jährigen Schüler Johann (Tino Mewes) und Ludwig (Jacob Matschenz) aufeinander treffen, entwickelt sich aus der anfänglich über das gemeinsame Sportrudern entstandenen Verbindung rasch eine intensive Beziehung. Während Johann, der bei seiner Mutter (Lena Stolze) lebt, ein zurückhaltendes, stilles Wesen beherbergt, ist der auffällige Ludwig ein lebenshungriger, explosiv spontaner Mensch, der in schwierigen Verhältnissen mit seinem Vater (Peter Harting) und seiner Schwester Vera (Sophie Rogall) zusammenlebt und gerade in einer heftigen Sinnkrise watet. Es ist Ludwig, der Johann dafür gewinnt, dass sie ihre Freundschaft auch äußerlich sichtbar verfestigen, woraufhin sich beide rituell den Schädel kahl rasieren und die gleichen Klamotten zulegen, so dass sie nun nicht nur auf dem Wasser sondern bei jeder Gelegenheit im Partner-Look auftreten. Gemeinsam erobern sie erfolgreich eine Regatta nach der anderen – die Dreharbeiten dazu fanden auch auf der Regatta-Bahn des Fühlinger Sees in Köln statt – als kaum zu schlagendes, harmonisiertes und markantes Team, was ihre Verbindung noch stärker werden lässt, die von ihrem sozialen Umfeld bedenklich beobachtet wird.

Doch dann erscheinen Risse auf der Oberfläche des undurchlässig verschlossenen Freundschaftsterritoriums, als Johann sich intensiv für Ludwigs Schwester Vera zu interessieren beginnt, deren feinfühliger Charakter den jungen Mann anzieht. Die Annäherung der beiden ereignet sich im Verborgenen, da sie ahnen, dass ihre Zuneigung auf wenig Verständnis bei Ludwig stoßen wird, der anscheinend etwas ahnt und zunehmend mit Missbilligung reagiert, die sich in wütenden und schließlich auch handgreiflichen Ausbrüchen entlädt, die zeigen, in welch tief liegenden Konflikten dieser gefangen ist, der den frühen Tod seiner Mutter noch nicht verarbeitet hat. Aber als Ludwig volljährig wird und seinen Führerschein bekommt, geht es endlich auf die längst geplante Motorrad-Tour, die die innige, unangreifbare Freundschaft wieder heraufbeschwören soll, doch Johann muss bald feststellen, dass bei Ludwig gewaltige Aggressionen schwelen …

Vom vielschichtigen Titel über die stimmige, dramatische Geschichte bis hin zu den hervorragenden Akteuren und der spannenden Inszenierung ist Zweier ohne ein gelungener Jugend-Film, der mit starken Bildern die schwierigen Aspekte des Heranwachsens anhand einer extremen Jungenfreundschaft aufzeigt, die sich nach einer Symbiose sehnt, die letztlich nur in der Abschottung fortbestehen kann – und dann zerbröckelt, als sich einer der Freunde anschickt, diesen engen Raum zu verlassen. Dabei wird der Blick auf die unterschiedlichen Perspektiven der Figuren gelenkt, so dass die Entwicklungen mit Ambivalenz betrachtet werden kann und der Wert einer solch intensiven Beziehung weder absolut gesetzt, noch verteufelt wird – eine Haltung, die zu einer Reflexion des Freundschaftsbegriffs in unterschiedlichen Lebensphasen anregt. Tino Mewes (Fickende Fische, Clerks 2 — Die Abhänger / Clerks 2) und Jacob Matschenz (Die Welle, Unschuld) verkörpern das Gespann genauso fabelhaft in euphorischer Einigkeit wie in zwistiger Konfrontation – eine Leistung, die in hohem Maße die Qualität des Films ausmacht.

Regisseur Jobst Christian Oetzmann, der bereits einige Fernsehfilme auch in der Reihe Tatort realisiert hat und für seinen ersten Kinofilm Die Einsamkeit der Krokodile 2001 mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, legt mit Zweier ohne erneut einen Stoff vor, der auf einer literarischen Vorlage des Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit basiert, der sich auch als Autor von Romanen einen Namen gemacht hat. Diese zweite Geschichte im Kinoformat, die sich ebenfalls mit den Lebenswelten Jugendlicher beschäftigt, ist filmisch im Vergleich zur ersten um einiges gereift und weist dabei wie diese das Geschick des Autors sowie des Regisseurs aus, die inneren Befindlichkeiten ihrer Protagonisten in eindringlicher Weise zu veranschaulichen.

Zweier ohne

Gegen die verstörenden Bollwerke der Außenwelt beim Erwachsenwerden gibt es kein wirk- und heilsameres Gegenmittel als einen Verbündeten in gleicher Situation, einen loyalen Gefährten – einen guten, wenn nicht gar besten Freund.
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Meinungen

· 18.12.2008

Ein ausgezeichneter und dichter Film, der von Anfang bis Ende stimmt. Er ist allerdings 5 Minuten zu lang. Daß es nun den "Zweier Ohne" mit Johannes und Vera am Schluß gibt, hätte der Film nicht ausdrücklich zeigen müssen.