Zonenmädchen

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Abitur bestanden, die DDR verloren

Fünf Freundinnen machen 1990, wenige Monate nach dem Mauerfall, in Dresden ihr Abitur. Dann ziehen sie alle erst einmal nach Paris, um dort die Freiheit des Westens zu erleben. Gut 20 Jahre später treffen sie sich wieder, um gemeinsam die Orte ihrer Jugend aufzusuchen und Zwischenbilanz zu ziehen. „Wie viel Zone steckt noch in uns?“, fragt die Filmemacherin Sabine Michel, die sich und ihren Freundeskreis porträtiert. Vor allem interessiert sie der individuelle Umgang mit dem biografischen Bruch, den das Ende der DDR für die jungen Frauen markierte.
Das spannende Thema entpuppt sich als reichlich kompliziert. Die Selbsterforschung macht es schwer, individuelle von kollektiven Standpunkten zu unterscheiden. Auf jeden Fall aber haben die Freundinnen, wie sie in einem ihrer Gespräche feststellen, aus der DDR das Selbstverständnis übernommen, dass Frauen arbeiten gehen, auch wenn sie Kinder haben. In vielen anderen Punkten aber unterscheiden sich die Ansichten der Freundinnen heute so stark wie ihre Lebenswege seit dem Mauerfall. Eine wurde Anwältin, eine Psychologin, eine dritte unterrichtet an einem Gymnasium in Paris, drei von ihnen haben Kinder, zwei nicht.

Trotz des Selbstbewusstseins, das die Frauen ausstrahlen, fällt es ihnen erstaunlicherweise zum Teil immer noch schwer, ihre Herkunft nicht als Makel zu empfinden. Als einen von außen angehefteten Makel wohlgemerkt, der aus der Unwissenheit im Westen über die Lebensumstände in der DDR folgt und immer nur den Unrechtsstaat und seine geduckten Bürger assoziiert. Die Anwältin erzählt, wie sie einmal einen Kollegen aus New York fragte, ob er ihr einen wichtigen Fall auch dann anvertraut hätte, wenn ihm ihre Herkunft bekannt gewesen wäre. Seine negative Antwort ließ sie heftig und eher ratlos grübeln. Die in Paris unterrichtende Lehrerin verheimlicht ihren Schülern noch heute, dass sie aus der DDR stammt.

Dabei hätten die Frauen, wie ihre Erinnerungen in diesem Film zeigen, so viel Komplexes zu erzählen. Fotos und Amateurfilme zeigen strahlende Mädchen mit Puppenwagen, später mit der Chorgruppe. Daneben gibt es Erinnerungen an strikte moralische Bahnen oder an die Not der Tochter einer überlasteten Alleinerziehenden. Die Filmemacherin erfährt erst jetzt, dass ihr Großvater als Nazi in den Krieg zog, weil die Mutter in der DDR lieber gar nicht erst über ihn sprach.

Als problematisch erweist sich die fehlende Distanz der Regisseurin zu den Subjekten ihres Films, bedingt durch ihre Doppelrolle vor und hinter der Kamera. Es werden sehr viele Aspekte aus dem Leben der Frauen vor und nach der Wiedervereinigung angerissen, aber sie bleiben wie isolierte Fundstücke im Raum stehen. Ein gezieltes Nachhaken findet nicht statt, so dass Vieles zu wenig aussagekräftig wirkt. Für räumliche Verwirrung sorgt die filmische Montage. In den langen ersten Teil der Erinnerungstour in Paris werden Szenen geschnitten, in denen die Frauen einzeln oder im Dialog mit ihren Müttern Rückschau halten – an anderem Ort. Oft weiß man nicht, in welcher Stadt sich die Kamera gerade befindet.

Der Film gerät über weite Strecken zum eher privaten Erinnerungsalbum dieser Clique langjähriger Freundinnen. In ihrer Vorstellung des Themas sagt die Regisseurin anfangs: „Über Nacht finden wir uns in einem Gesellschaftssystem wieder, für das wir nicht erzogen wurden.“ Das schürt die Neugier, aber was es konkret bedeutet, erfährt man im Verlauf nicht. Jedoch kann auch ein ambitionierter Film, der an die eigenen Grenzen stößt, dazu anregen, sich in dieses nach wie vor spannende Thema zu vertiefen.

Zonenmädchen

Fünf Freundinnen machen 1990, wenige Monate nach dem Mauerfall, in Dresden ihr Abitur. Dann ziehen sie alle erst einmal nach Paris, um dort die Freiheit des Westens zu erleben. Gut 20 Jahre später treffen sie sich wieder, um gemeinsam die Orte ihrer Jugend aufzusuchen und Zwischenbilanz zu ziehen.
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