Zero Days

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Alles gefährlich, alles böse

Alex Gibney macht im Durchschnitt zwei Dokumentarfilme pro Jahr. Das ist ganz schön viel, vor allem, wenn man sich seine Themen einmal betrachtet. Bei jedem einzelnen würde man vermuten, dass so ein Film mehrere Jahre benötigt. Zuletzt machte der Oscar-prämierte Filmemacher mit dem Scientology-Dokumentarfilm Going Clear: Scientology and the Prison of Belief auf sich aufmerksam, der ihm den Zorn der Sekte einbrachte. Sein neues Werk Zero Days widmet sich allerdings wieder seinem Lieblingsthema – der US-amerikanischen Politik.
Zero Days rekonstruiert die Geschichte eines Computerwurms namens Stuxnet, der im Jahr 2010 plötzlich auftauchte und sofort durch seinen fast perfekten und hochgradig kultivierten Code bestach. Es war quasi eine Beethovensche Symphonie, wo sonst größtenteils nur Hausmusik gespielt wird. Doch auch sein Zweck, den man erst nach langer Recherche entschlüsseln konnte, sorgte für Aufregung. Stuxnet war keine übliche Malware, sondern eindeutig von einem oder mehreren Staaten auf Geheimdienstebene konstruiert. Sein Zweck: Ganz spezifische Module zu manipulieren. Module, die in iranischen Atomkraftwerken die Anreicherung von Uran in großen Zentrifugen kontrollieren. Sprich, Stuxnet war, sehr wahrscheinlich, der erste Cyberangriff und damit der erste Schritt hin zu einer Kriegsführung, die vor allem im Cyberspace stattfindet. Wahrscheinlich ist hier allerdings hinzuzufügen, da bis heute alle Beteiligten schweigen. Und auch Gibney hat große Probleme, Menschen zu finden, die vor seiner Kamera Rede und Antwort stehen. Zumindest wenn es um die Frage der Urheberschaft – wahrscheinlich war diese amerikanisch/israelisch – geht.

So stürzt er sich zuerst vor allem auf die Entdeckungs- und damit Entstehungsgeschichte. Zusammen mit Anti-Viren-Software-Experten von Kaspersky (Russland) und Symantec (USA), repliziert er die Genese des Codes und analysiert seine Inhalte, aus denen sich Rückschlüsse auf bestimmte politische Ideen, Machtspiele und internationale Konflikte ziehen lassen. Danach versucht sich Gibney durch das Gestrüpp aus Zuständigkeiten und Schweigen zu arbeiten, um die Hintergründe des Cyberangriffes und dessen Bedeutungen herauszuarbeiten. Doch hier merkt man die Spirale des Schweigens schnell – und auch, dass Gibney das Material ausgeht. Alsbald wiederholt sich der Film mit jeder Aussage und auch Gibneys Kommentar dreht sich im Kreis. Diese inhaltliche Brachfläche stellt umso mehr das System Gibney aus: Man sammle eine Handvoll Experten um sich, die die Meinung des Filmemachers vertreten. Diese ist oft kontrovers und will aufdecken, ergo kann man fast nur Experten gewinnen, die inzwischen in Rente gegangen oder sich anderweitig aus dem System bewegt haben, das es zu analysieren gilt. Diese Experten lasse man nun unendlich reden und sich, geleitet durch seine Fragen, stets gegenseitig bestätigen, um so ein kohärentes Bild zu schaffen. Da die Bebilderung meist schwierig ist, müssen digital erstellte Beispielanimationen etc. herhalten. Ab und an auch ein Dokument, hier ist es eines, dass Edward Snowden geleakt hat. Diese Dokumente werden aber immer nur in Teilen, nie ganz gezeigt; ihre Quellen und Bezüge sind nie erkenn- oder nachvollziehbar.

Das Problem mit Zero Days und Gibneys Art des Filmemachens liegt genau hier begraben. Es ist Fließbandarbeit, die sich zwar immer mit spannenden Themen, aber stets schnell, poppig und oberflächlich beschäftigt und nie so recht die Ambivalenzen aufzeigt. Die Meinung ist gebildet, der Film ist nur noch die Argumentationskette zum schon gefällten Endpunkt. Zero Days endet mit den Experten und Gibney in Übereinstimmung, dass solche Vorfälle wie Stuxnet nicht unter den Tisch gekehrt werden dürfen. Alle nicken. Aber mehr gibt es dann auch nicht zu sagen. Alles gefährlich, alles böse. Nächstes Thema.

Zero Days

Alex Gibney macht im Durchschnitt zwei Dokumentarfilme pro Jahr. Das ist ganz schön viel, vor allem, wenn man sich seine Themen einmal betrachtet. Bei jedem einzelnen würde man vermuten, dass so ein Film mehrere Jahre benötigt. Zuletzt machte der Oscar-prämierte Filmemacher mit dem Scientology-Dokumentarfilm „Going Clear: Scientology and the Prison of Belief“ auf sich aufmerksam, der ihm den Zorn der Sekte einbrachte.
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