Women Without Men

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Wundersame Freundschaften

Der Garten: für manche ein Ort der Plackerei, für andere eine Oase der Ruhe. Im Debütfilm der Videokünstlerin Shirin Neshat wird der Garten zur verwunschenen Utopie. In der Tradition paradiesischer Vorstellungen schafft sie Bilder von der Versöhnung mit der Natur, die sich tief ins Gedächtnis brennen. So verzaubert, so intensiv und so spirituell hat man lange keine Naturaufnahmen mehr gesehen. Zugleich gelingt es der Regisseurin, den magischen Realismus wie selbstverständlich mit einer handfesten politischen Geschichte zu verweben. Beim Festival von Venedig 2009 bekam sie dafür den Silbernen Löwen für die beste Regie.
Women without Men greift eine politische Episode auf, die im Westen weitgehend vergessen ist, aber für das kollektive Bewusstsein des iranischen Volkes weitreichende Folgen hatte: den Sturz des vom Parlament gewählten Premierministers Mossadegh durch ein Komplott des amerikanischen Geheimdienstes CIA im Jahr 1953. Die Amerikaner und Briten wollten es damals einfach nicht akzeptieren, dass Mossadegh die Ölquellen verstaatlichte. Für die 1957 im Iran geborene Regisseurin war dies die Ursache für den Antiamerikanismus und die islamistische Radikalisierung, die 1979 zum Sturz des Schahs führte – und zugleich den Keim für eine erneute Diktatur legte, diesmal durch die Ayatollahs. Im Abspann widmet Shirin Neshat ihren Film den Freiheitskämpfern von 1953 und zieht eine direkte Linie zur „grünen Revolution“, die seit dem letzten Jahr für faire Wahlen streitet.

Aber so dokumentarisch angehaucht, wie man aufgrund dieses Hintergrunds glauben könnte, ist Women without Men nicht. Der Film erzählt in kunstvollen Bildern von vier Frauen, die in den Wochen des Militärputsches eine entscheidende persönliche Entwicklung durchmachen. Die wohlhabende Fakhri (Arita Shahrzad) verlässt ihren Mann und beginnt in dem eingangs erwähnten Garten ein neues Leben. Die von ihrem Bruder unterdrückte Munis (Shabnam Tolouei) schließt sich den Straßendemonstranten an. Der konservativ-religiösen Faezeh (Pegah Ferydoni) gehen die Augen über die wahre Natur des Patriarchats auf. Und die Prostituierte Zarin (Orsi Toth) findet Schutz in jenem surrealistisch aufgeladenen Naturparadies, das in seiner spirituellen Schönheit die Seele zu heilen scheint.

Nur Munis ist also eine explizit politische Aktivistin. Aber die Geschichten der vier Frauen sind so geschickt über die Montage und das Drehbuch miteinander verknüpft, dass der Film instinktsicher zwischen Realismus, Traum, subjektiv erlebter Wirklichkeit und symbolhaft aufgeladenen Landschaften hin- und herpendeln kann. Auf diese Weise gelingt dem Film das selten glückende Kunststück, auf der einen Seite in Bildern von großer künstlerischer Kraft zu schwelgen, aber anderseits diese fantastischen Visionen in jedem Moment in den Dienst der erzählten Geschichte zu stellen.

Dabei ist die Charakterzeichnung individuell genug, um uns für das Schicksal jeder dieser Frauen einzunehmen. Aber sie ist auch allgemeingültig genug, um vielfältige Assoziationen daran zu knüpfen. Zum Beispiel das Thema einer Freundschaft, die von einem wundersamen Gleichklang der Seelen lebt. Oder das Thema der Neugeburt an einem Ort, wo die Menschen mit sich und der Natur im Reinen sind. Oder die religiösen Anspielungen auf ein Leiden, das einen tieferen Sinn zu haben scheint.

Im Prinzip beantwortet Shirin Neshat die Frage nach der Emanzipation der Frauen so eindeutig wie die nach der politischen Emanzipation. Women without Men heißt ja schon der Roman der iranischen Schriftstellerin Sharnush Parsipur, der dem Film zugrunde liegt. Das bedeutet aber nicht, dass Männer draußen bleiben sollten. Zu viel gibt es zu entdecken in diesem vielschichtigen Werk, das vermutlich auch bei mehrmaligem Sehen noch Geheimnisse birgt.

Women Without Men

Der Garten: für manche ein Ort der Plackerei, für andere eine Oase der Ruhe. Im Debütfilm der Videokünstlerin Shirin Neshat wird der Garten zur verwunschenen Utopie. In der Tradition paradiesischer Vorstellungen schafft sie Bilder von der Versöhnung mit der Natur, die sich tief ins Gedächtnis brennen. So verzaubert, so intensiv und so spirituell hat man lange keine Naturaufnahmen mehr gesehen.
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