Wochentage

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die schwer zugängliche Sphäre des Experimentellen

Ein männliches Geschlecht, noch dazu in prall aufgerichtetem Zustand, ist ein äußerst seltener Protagonist von Filmen jenseits der einschlägigen Branche. Und wenn dieses Teil auch noch spricht und in seinen Reden ein gerade verabschiedetes Gesetz zur Filmförderung heftig verspottet – wie im Kurzfilm Besonders wertvoll aus dem Jahre 1968, der das routinierte Prozedere der damaligen Kurzfilmtage in Oberhausen empfindlich aus der Bahn schubste –, handelt es sich um einen so genannten Experimentalfilm, eine Gattung, deren Filme beinahe per Definition in der Regel kommerziell wenig erfolgreich sind, dafür aber äußerst kontrovers diskutiert werden. Doch gäbe es nicht die radikalen Puristen unter den Regisseuren, die wenigen berühmten wie Walter Ruttmann (Opus) oder Hellmuth Costard (Besonders wertvoll) und die zahlreichen kaum bekannten, die ihr Werk streng experimentell als Ausdruck einer Kunstform inszenieren sowie das filmische Schaffen innerhalb ihrer Epoche einer Reflexion mit nicht selten gesellschaftspolitischen Aspekten unterziehen und derbe Attacken auf die Sehgewohnheiten ihres kargen Publikums schleudern, müsste die illustre Filmlandschaft auf eine Avantgarde verzichten, die häufig ebenso verstörend wie inspirierend wirkt und mit ihren Innovationen immer wieder auch die Entwicklung anderer Genres nachhaltig beeinflusst.
Nicht zwingend spektakulär gestaltet sich ein experimenteller Film, und bei Carsten Gebhardts Spielfilmdebüt Wochentage, das vom Regisseur selbst sowie von der Chemnitzer Filmwerkstatt unterstützt und produziert wurde, herrschen Banalität und Beliebigkeit geradezu als vertrottelte Schergen eines tumben Zeitgeistes. Es geht um eine junge Frau, die überzeugend naturalistisch von Zoé Naumann dargestellt wird, und damit ist bereits die Handlung grob skizziert. Basierend auf zwei Kurzfilmen des Regisseurs, Dienstag aus dem Jahre 1998 und Mittwoch von 1999, begleitet die Kamera die Akteurin durch weitere Tage der Woche, die als Episoden jährlich bis 2004 ergänzt wurden und so schließlich aneinander gereiht den Spielfilm Wochentage ergaben. Diese ungewöhnliche Form der Entstehung transportiert scheinbar wahllose, nur gering durch Dialoge begleitete Sequenzen aus dem Alltagsleben der Hauptfigur, die häufig allein gezeigt wird, aber auch in Gesellschaft unterschiedlicher Männer und seltener auch Frauen, beim Besuch ihrer Großmutter oder beim abendlichen Ausgehen. Kommentarlos wird ein Szenario der großen Einsamkeit, beinahe Verlorenheit entworfen, flankiert von hier und da aufblitzenden Fünkchen einer illusorisch und vergänglich anmutenden Nähe, zerrissen von einer Gleichgültigkeit, die jeglichen Kampf um Balance im Ansatz zum Scheitern verurteilt.

Ob dieses nahezu dokumentarisch auftretende Werk nun als zeitgenössische, kritisch-spiegelnde Filmkunst, als inszenierte Repräsentation einer immanenten Langeweile oder gar als Schlimmeres bewertet wird, bleibt einem Publikum überlassen, das es wagt, sich jenseits von unterhaltsamen Geschichten ins Kino zu trauen, und für einen wahrhaften Avantgardisten dürfte auch ablehnendes Unverständnis keineswegs eine Schande sein.

Wochentage

Ein männliches Geschlecht, noch dazu in prall aufgerichtetem Zustand, ist ein äußerst seltener Protagonist von Filmen jenseits der einschlägigen Branche.
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