Wiedersehen mit Brundibar

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Gegen das Vergessen

Fast auf den Tag genau 70 Jahre ist es her, dass die Kinderoper Brundibar zuletzt aufgeführt wurde — am 16. Oktober 1944 endeten nach gut zwei Jahren die Vorführungen dieses einzigartigen Werks. Das Besondere an Brundibar: Das Singspiel, 1938 von dem deutsch-tschechischen Komponisten Hans Krása komponiert und lediglich einmal im Jahre 1941 in einem jüdischen Waisenhaus heimlich uraufgeführt, wurde von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke instrumentalisiert und zu Propagandazwecken im Konzentrationslager Theresienstadt mehr als 50 mal auf die Bühne gebracht. Unter anderem sollte damit internationalen Organisationen wie dem Roten Kreuz, das das „Musterlager“ besuchte, eine Humanität vorgegaukelt werden, die mit der Realität der KZs nichts zu tun hatte.
Ausschnitte aus den Aufführungen wurden unter anderem in dem berüchtigten Propagandafilm Theresienstadt — Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet (häufig kolportierter Titel dieses Werkes von Kurt Gerron Der Führer schenkt den Juden eine Stadt) verwendet. Nach dem Krieg galt die Oper als verschollen, bzw. wusste kaum mehr jemand etwas über ihre bloße Existenz, Hans Krása sowie beinahe alle Beteiligten hatten die Lagerhaft nicht überlebt und es ist einzig und allein einem Zufall zu verdanken, dass Benediktinerschwester Veronika Grüters Ende der 1970er Jahre bei Recherchen über das Schicksal ihrer Familie auf die Oper stieß und weiterforschte. 



Und es gibt Greta Klingsberg, die im Alter von 13 Jahren nach Theresienstadt deportiert wurde und die dort insgesamt 53 mal die Hauptrolle der Aninka sang — sie gilt als einzige Überlebende des Ensembles von damals. Und obgleich hochbetagt, lässt sie es sich auch heute nicht nehmen, selbst immer wieder lange Reisen zu unternehmen, um die Erinnerung an die Oper und die Schicksale, die sich damit verbinden, am Leben zu erhalten. 



In seinem neuen Dokumentarfilm Wiedersehen mit Brundibar begleitet der Regisseur Douglas Wolfsperger eine Jugendtheatergruppe der Berliner Schaubühne, die als Vorbereitung auf eine Aufführung an ihrem Theater an den Ort der Aufführungen nach Theresienstadt fährt. Begleitet werden sie auf dieser Reise von Greta Klingsberg und es liegt vor allem an der alten Dame, dass sich die anfangs skeptische Haltung der Jugendlichen im Laufe der gemeinsam verbrachten Zeit verändert.


Er habe, so kann man im Presseheft zu Douglas Wolfspergers zutiefst bewegendem Film lesen, einen Film gegen eine unselige Tendenz unserer Zeit machen wollen: „Nicht wenige Menschen“, so steht dort zu lesen (und man kommt nicht umhin, bei diesen Worten zu nicken, denn wie oft hat man sie selbst schon gehört), „sind der Meinung, dass jetzt doch mal Schluss sein müsse mit dem Erinnern und Aufarbeiten.“ Als würden Ereignisse und Gräuel wie diese jemals verjähren. 

Im Gegenteil zeigen ja gerade vielfältige und äußerst beunruhigende Tendenzen innerhalb unserer Gesellschaft, was passiert, wenn weggeschaut, vergessen und verdrängt wird.

Nicht allein deshalb ist Wiedersehen mit Brundibar nicht nur ein Film über eine beinahe in Vergessenheit geratene Kinderoper und über die Begegnung von Jugendlichen mit einer Frau, die viel erlebt hat. Sondern vielmehr eine Mahnung, die ganz ohne erhobenen Zeigefinger klar macht, wie elementar und unverzichtbar eine Kultur des Erinnerns und des Bewahrens ist.

Wiedersehen mit Brundibar

Fast auf den Tag genau 70 Jahre ist es her, dass die Kinderoper „Brundibar“ zuletzt aufgeführt wurde — am 16. Oktober 1944 endeten nach gut zwei Jahren die Vorführungen dieses einzigartigen Werks. Das Besondere an „Brundibar“: Das Singspiel, 1938 von dem deutsch-tschechischen Komponisten Hans Krása komponiert und lediglich einmal im Jahre 1941 in einem jüdischen Waisenhaus heimlich uraufgeführt, wurde von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke instrumentalisiert und zu Propagandazwecken im Konzentrationslager Theresienstadt mehr als 50 mal auf die Bühne gebracht.
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