Wie Luft zum Atmen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Reise in kaukasische Klangwelten

Auf dem Kaukasus, an der Grenze zwischen Orient und Okzident, Europa und Asien, liegt Georgien. Dieses atemberaubend schöne Land ist ein Staat, der sich derzeit aufgrund von Konflikten mit dem großen Nachbarn Russland in den Schlagzeilen befindet und immer wieder durch Korruptionsfälle, Missachtung demokratischer Regeln und Machtmissbrauch von sich Reden macht. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, welche großartige Kulturlandschaft die kleine Kaukasus-Republik darstellt, die seit 1991 unabhängig von Russland ist.
Die Filmemacherin Ruth Olshan hat sich in ihrem Film Wie Luft zum Atmen auf eine Reise durch Georgien begeben und verfolgt vor allem die Spuren einer lebendigen und vielfältigen musikalischen Kultur, die dem Land Identität und Halt in unsicheren Zeiten gibt. Die georgischen Volkslieder sind in ihrem Reichtum so vielfältig, dass das Liedgut des kleinen Staates von der UNESCO sogar in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Einzigartig ist vor allem das Tonlagensystem, das sich grundlegend von den herkömmlichen Harmonielehren unterscheidet und das seit vielen Jahrhunderten mündlich überliefert wird. Auch die Texte dieser Lieder atmen den Geist einer langen Geschichte, denn sie wurden – so behaupten es zumindest zahlreiche Quellen – aus der Sprache der Sumerer entwickelt. Dies alles, die rhythmische Vertracktheit der Melodien und die vielstimmige Gestaltung des typischen Chorgesanges erzeugt eine neue Klangwelt, die ebenso fremd wie vertraut, ebenso archaisch wie verblüffend modern wirkt.

Immer wieder macht Ruth Olshan in persönlichen Begegnungen mit Männer, Kindern und vor allem mit Frauen aus Georgien deutlich, wie tief verwurzelt die musikalischen Traditionen Georgiens in der Seele der Menschen sind und wie sehr die Musik auch ein Heilmittel gegen die Widrigkeiten des Alltags darstellt. In einem Land, in dem beinahe die Hälfte der Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebt, gibt es kaum Hoffnung, doch die Musik, so weiß man nach dem Betrachten dieser wundervollen und bewegenden Dokumentation, lässt die stolzen Georgier noch ein Weilchen durchhalten.

Wie Luft zum Atmen

Auf dem Kaukasus, an der Grenze zwischen Orient und Okzident, Europa und Asien, liegt Georgien.
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