Whores Glory - Ein Triptychon

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Mythos Nutte

Regisseur Michael Glawogger hat sich mal wieder ins Gemenge begeben. Waren es in Megacities (1999) die Lebensbedingungen der vier der größten Städte der Welt, dokumentierte er in Workingman’s Death (2005) das extrem harte Arbeitsleben in der Ukraine, Indonesien, Nigeria, Pakistan und China. Nun folgt der dritte Teil seiner Trilogie über die globalisierte Arbeitswelt. In Whores’ Glory porträtiert Glawogger Frauen, die in Thailand, Bangladesh und Mexiko von der Prostitution leben. Und es sind wieder einmal die faszinierenden, bildgewaltigen Eindrücke, mit denen Glawogger unglaublich zu beeindrucken weiß.
Es geht los mit der thailändischen Episode Fish Tank. In einem Edelpuff in Bangkok stellen sich sehr junge, sehr schöne und sehr schlanke Frauen wie Ware hinter einer Scheibe zur Schau. Der männliche Kunde darf sich eine oder auch mehrere „Nummern“ auswählen und sich dabei vom Personal beraten lassen. Der Preis ist wie überall in Asien eine Sache der geschickten Verhandlung. Hier geht es extrem professionell zu, von Ausbeutung soweit keine Spur. Doch was sind das für Frauen mit ihren hautengen Kleidern, tiefen Ausschnitten, und hohen Absätzen? In erster Linie streben sie nach Wohlstand und Geld. Für viele ist der Job längst zur Normalität geworden. Mit einer Stempelkarte lochen sie sich ein, mit Räucherstäbchen beten sie für reichlich Kundschaft und beim Schlürfen der Nudelsuppe meckern sie über zu viel Konkurrenz.

Weitaus weniger professionell und unedel, aber nicht minder geschäftstüchtig, geht es in der Bangladesh-Episode Stadt der Freude in Faridpur zu. Die Armut springt einem sofort ins Auge. In einem kaninchenbauartigen, verwinkelten Komplex leben und arbeiten rund 600 Prostituierte. In engen, dunklen Gassen warten die Frauen in ihren bunten, langen Saris auf ihre Freier. Wer schüchtern ist, hat hier kaum eine Chance. So wie Ruma, die sechs Jahre auf der Straße gelebt hat und von einer Puffmutter für 5000 Taka (ca. 50 Euro) „gekauft“ wurde. Wir erleben, wie sie in das Sex-Geschäft eingewiesen wird. Schwanzlutschen sei ausgeschlossen, denn der Mund ist heilig und spricht die Suren des Korans. Es ist bitter, zu sehen, wie diese Frauen leben. Dass sie meistens nur dieses eine Leben haben und kaum woanders hingehen können. Das grenzt schon arg an Verzweiflung.

Und schließlich geht es nach Reynosa, Mexiko in Die Zone. Es ist kalt, die Frauen stehen bibbernd vor ihren Häusern und warten auf Kundschaft. Die Männer fahren von einer zur nächsten und suchen sich aus dem warmen Auto das Objekt ihrer Begierde heraus. So abgebrüht, schamlos und obszön wie hier in Mexiko sind die Frauen in keiner anderen Episode des Films zu erleben. Ihre Körper sprechen nur eine Sprache und die heißt Sex. Eine betagte Prostituierte entblößt ihre großen Brüste, während sie minutenlang aus dem Nähkästchen über alte Zeiten plaudert. Scham empfindet sie längst nicht mehr. Ihre Brüste, mit denen sie einst tausende von Pesos verdient hat, haben ausgesorgt. Man muss schon Temperament für diesen Job haben, der nach außen eine nüchterne Dienstleistung darstellt und innerlich zwei Menschen aus Fleisch und Blut vereinigt.

Whores’ Glory, dessen Titel eine Referenz an einen Roman von William T. Vollmann ist, zeigt, wie nah Glamour und Elend in dem Berufsstand der Prostituierten beieinander liegen. Es ist zunächst der Austausch von Geld gegen Sex. Welchen Einfluss die jeweilige Kultur, Religion und Tradition des Landes darauf haben, vermag der Film wunderbar beleuchten. Es ist erstaunlich, wie nah Glawogger an die Frauen und ihr Business heran gekommen ist. Dafür braucht man nicht nur offizielle Drehgenehmigungen. Hier ist jede Menge Vertrauensarbeit im Vorfeld nötig gewesen.

Nach Megacities und Workingman’s Death war es nur konsequent, Kameramann Wolfgang Thaler erneut zu engagieren und somit eine einheitliche Bildsprache zu realisieren. Es ist bemerkenswert, welch schillernde und gleichzeitig desillusionierende Bilder er findet, um den Mythos dieses Berufes zu unterstreichen. Ebenfalls lobenswert ist der Soundtrack. Jeder der drei Teile bekommt seine eigene, weibliche Stimme zugeordnet. Thailand die des amerikanischen Freakfolkduos Coco Rosie, Bangladesh die der deutschen Sängerin Maike Rosa Vogel und Mexiko die der englischen Avantgarde-Rockerin P.J. Harvey.

Whores Glory - Ein Triptychon

Regisseur Michael Glawogger hat sich mal wieder ins Gemenge begeben. Waren es in „Megacities“ (1999) die Lebensbedingungen der vier der größten Städte der Welt, dokumentierte er in „Workingman’s Death“ (2005) das extrem harte Arbeitsleben in der Ukraine, Indonesien, Nigeria, Pakistan und China. Nun folgt der dritte Teil seiner Trilogie über die globalisierte Arbeitswelt.
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Meinungen

fahmi · 26.01.2013

dankie, es ist sehr gut

Katrin · 11.10.2011

Der Filmkommentar hier ist sehr gut; nur wäre es sehr wünschenswert, wenn der eindeutig negativ konnotierte Begriff "Nutte" nicht mehr verwendet würde, sondern stattdessen der Ausdruck "Hure", den die Frauen auch selbst für ihren Beruf verwenden. Vielen Dank.

Thomas A. · 10.09.2011

Ein Film, der sehr eindringlich ist und zum Nachdenken anregt, auch noch Tage danach.