West Is West

Eine Filmkritik von Lida Bach

West-Östlicher Diwan

Manche Dinge ändern sich nie. Salford ist noch der gleiche verregnete Außenbezirk Manchesters. George Khan ist immer noch mit seiner britischen Frau Ella (Linda Basset) verheiratet. Er nennt die gemeinsamen Söhne weiterhin dumme Bastarde und die englische Heimat des pakistanischen Imbiss-Besitzers (Om Puri) ist so rassistisch wie fünf Jahre zuvor. East Is East ist so ungebrochen amüsant wie vor 11 Jahren. Sein Drehbuchautor Ayub Khan-Din hat immer noch Geschichten parat, die erzählt werden wollen. Und Fortsetzungen sind niemals so gut wie das Original.
Andere Dinge ändern sich. Georges Jüngster Sajid (Aqib Khan) ist mittlerweile ein rotziger Teenager, der weder die pakistanischen Sitten seines Vaters noch die vornehme englische Art respektiert. Statt im Lehrstoff übt er sich im Ladendiebstahl, doch dass sein Vater ein „Paki“ ist, das weiß er. Er sei Engländer, erklärt Sajid, als der Schuldirektor sich wundert, warum der von seinen Mitschülern aufgrund seiner Abkunft schikanierte Außenseiter kein Urdu spricht. George stellt sich insgeheim die gleiche Frage, obwohl er laut verkündet dass alle seine Söhne „verdammt britisch“ sind — und nichts desto trotz dumme Bastarde, die dem energischen Patriarchen am Herzen liegen ebenso wie sein kulturelles Erbe. Um beides zu vereinen reist George mit dem jüngsten Sohn in seine Heimat, wo Sajids Bruder Maneer (Emil Marwa) bereits auf Brautschau ist. George muss indes erkennen, dass er selbst sein Erbe verdrängt hat: das familiäre Erbe, das ihm in Gestalt seiner ersten Frau Basheera (Ila Arun) und deren Kindern begegnet.

„Wer ist zurückgekehrt, George oder Jahangir?“ Basheeras an den heimlichen Hauptcharakter George, dessen Person Om Puri gleich einem Maßanzug überstreift, gerichtete Worte benennen den Identitätskonflikt im Zentrum der Handlung des zweiten Teils von Ayub Khan-Din autobiografisch geprägter Trilogie um den britisch-pakistanischen Klan seiner Erfolgskomödie East Is East. Die Frage nach der Zugehörigkeit richtet sich von Außen und Innen zugleich an die Protagonisten, die jeder auf eigene Weise charakterliche Zerrissenheit erleben. Wie Sajid seinen Mitschülern zu sehr und seinem Vater zu wenig pakistanisch erscheint, ist George zu viel und zu wenig Vater. Seine von unartikulierter Zärtlichkeit motivierte Autorität und Sorge gegenüber den Söhnen, die er seinen Lebensvorstellungen anpassen will, kontrastiert mit der Gleichgültigkeit gegenüber seiner ersten Frau. Den familiären Bruch, den er Sajid vorwirft, hat George selbst noch viel radikaler vollzogen, und sein Zurücklassen Ellas deutet an, dass er zu dergleichen noch immer fähig ist.

Manchmal sind es nicht die Dinge, die sich ändern, sondern die Welt um sie herum. Der Blick auf den von den Hauptfiguren repräsentierten Kulturkreis und seine Integration in die westliche Gesellschaft hat sich radikal verändert. Die Intoleranz des 70er-Jahre-Englands von East Is East schien 1999 fast überwunden. Heute hat sie nicht nur Macht gewonnen, sondern von Salford auf die Weltpolitik übergegriffen. Dies hat Regisseur Andy DeEmmony im Blick, wenn er Georges Ecken und Kanten schleift. Stand in East Is East noch die kulturelle Bindung, sowohl an das Herkunftsland als auch ein neues Umfeld, im Vordergrund, konzentriert sich West Is West auf die familiären Bindungen. Burleske Szenen aus dem Repertoire der Culture-Clash-Komödie und der ungenierte Tonfall erzeugen in der wankelmütigen Atmosphäre die persönlichen Brüche der Figuren.

Die Ausweitung des lokalen Handlungsraums geht einher mit der Verengung des inhaltlichen Radius. Das angespannte politische Klima und der konservative Revisionismus schlagen sich in der emotionaleren Grundstimmung nieder, die das zweite Kapitel der Familiensaga zum eigenständigen Werk reifen lassen. War East Is East eine Tragikkomödie, ist West Ist West eher ein humorvolles Drama. Die inhaltlichen Schwächen gegenüber dem filmischen Vorgänger auszugleichen und dem Zeitgeist herauszufordern, statt sich ihm unterzuordnen, obliegt dem Abschluss der von einem Zitat Rudyard Kiplings inspirierten Trilogie: „East is East, West is West — and never the twain shall meet.“

West Is West

Manche Dinge ändern sich nie. Salford ist noch der gleiche verregnete Außenbezirk Manchesters. George Khan ist immer noch mit seiner britischen Frau Ella (Linda Basset) verheiratet. Er nennt die gemeinsamen Söhne weiterhin dumme Bastarde und die englische Heimat des pakistanischen Imbiss-Besitzers (Om Puri) ist so rassistisch wie fünf Jahre zuvor. „East is East“ ist so ungebrochen amüsant wie vor 11 Jahren. Sein Drehbuchautor Ayub Khan-Din hat immer noch Geschichten parat, die erzählt werden wollen. Und Fortsetzungen sind niemals so gut wie das Original.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen