Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Sonntag, 26.02.2012, Bayerisches Fernsehen, 23:30 Uhr

Dass dieses Ehepaar mittleren Alters in einer regelrechten Ehehölle zusammenlebt, die es gleichermaßen mit Genuß und gegenseitiger Verachtung gemeinsam zelebriert, bleibt dem Zuschauer nicht lange verborgen: Nach einer Geselligkeit im Hause ihrer Eltern kehrt die ebenso trinkselige wie zynische Matha (Elizabeth Taylor) mit ihrem Ehemann George (Richard Burton), der als Geschichtsprofessor am College unterrichtet, in ihre Wohnung zurück, die sie mit theatralischer Geste à la Bette Davis als Rosa Moline in Der Stachel des Bösen / Beyond the Forest als Dreckloch bezeichnet. Doch die längst angebrochene Nacht ist noch nicht vorüber, als die beiden ihre Bleibe aufräumen, denn zum Missfallen von George hat Martha zu später Stunde noch Gäste von der abendlichen Party zu sich eingeladen, und vor dem neuen Biologieprofessor Nick (George Segal) und seiner jungen Frau Honey (Sandy Dennis) inszenieren Martha und George mit bitterer Passion das ganze Ausmaß des Fiaskos ihrer 20jährigen Ehe …
Basierend auf dem gleichnamigen, mehrfach ausgezeichneten Theaterstück für vier Personen von Edward Albee, das im Jahre 1962 am Billy Rose Theater in New York uraufgeführt wurde, hat der US-amerikanische Schauspieler und Filmschaffende Mike Nichols (Die Reifeprüfung / The Graduate, 1967, Silkwood, 1983, The Birdcage, 1996) nach dem Drehbuch von Ernest Lehman 1966 mit Wer hat Angst vor Virginia Woolf? ein Spielfilmdebüt als Regisseur hingelegt, das seinerzeit in pompösen dreizehn Kategorien für den Academy Award nominiert war und letztlich fünf der begehrten Oscars gewann, darunter der zweite für Elizabeth Taylor als Beste Hauptdarstellerin, die hier als heftig verbitterte Ehefrau in einer ihrer facettenreichsten Rollen zu sehen ist. An ihrer Seite spielt ihr damaliger Gatte Richard Burton, und es entbehrt nicht einer gewissen Brisanz, dass die tatsächliche Ehe dieses legendären Hollywood-Paares ebenfalls häufig für skandalträchtige Schlagzeilen sorgte.

Handelte es sich bei dem damaligen Theaterstück um ein dialogisch kräftig und prekär auftrumpfendes Drama, sollten bei der filmischen Inszenierung ursprünglich die Obszönitäten und unverblümten sexuellen Dialoge der Bühnenfassung abgemildert erscheinen, was zum Teil bei derben Flüchen auch geschah, während sich der Film ansonsten eng an der theatralischen Version orientiert, überwiegend in der Wohnung der Eheleute verortet ist und sich somit auf Dichte der sich dort ereignenden Echauffierungen konzentriert, ganz im Sinne von Drehbuchautor Ernest Lehman, der auch als Produzent fungierte. Und es ist zweifellos die Intensität der gegenseitigen Boshaftigkeiten, die sich hier in explosiver Weise entfaltet und diesem Drama seine ganz spezielle, bei Zeiten nicht unkomische Wucht der zwischenmenschlichen Abgründe verleiht, in die das alternde Paar auch das junge verstrickt, bei dem sich im Laufe der Nacht die Illusion der frischen Liebe ganz gewaltig zurückzieht.

Der Titel Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, eine Modifizierung des Kinderliedes Wer hat Angst vorm Bösen Wolf?, stammt vom Dramaturgen Edward Albee, der diesen Spruch einmal als Wandgraffiti sichtete und als passend für sein Stück übernommen hat. Auch wenn ursprünglich Bette Davis und James Mason oder auch Henry Fonda als Besetzung für das streitbare Ehepaar im Gespräch waren und neben Ernest Lehman so einige Andere besonders Bette Davis gern dabei gesehen hätten, wie sie sich in der Eingangsszene des Films selbst zitiert, zeigen doch Elizabeth Taylor und Richard Burton sich hier in hybrider Höchstform, so dass ihre Galanterien ebenso wie ihre aggressiven Ausbrüche absolut authentisch erscheinen. Geschwundener Glanz sowie Gift und Galle einer eingeschworenen Gemeinschaft mit all ihren verbindenden und gleichermaßen fesselnden Codes – insbesondere jener des imaginären Sohnes – werden in diesem kultträchtigen Drama auf packende Weise inszeniert, so dass Wer hat Angst vor Virginia Woolf? noch heute zu den hervorragendsten Stücken über das Scheitern von Liebe und Loyalität zählt, die zahlreich durch die Filmgeschichte vagabundieren.

Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

Dass dieses Ehepaar mittleren Alters in einer regelrechten Ehehölle zusammenlebt, die es gleichermaßen mit Genuß und gegenseitiger Verachtung gemeinsam zelebriert, bleibt dem Zuschauer nicht lange verborgen:
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