Wenn Gott schläft (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Der iranische Eminem

Im Iran ist Shahin Najafi, der auch der „iranische Eminem“ genannt wird, einer der berühmtesten Musiker der neuen Generation. Aber nicht die Musik hat ihn berühmt gemacht, sondern die Fatwa, die gegen ihn ausgesprochen wurde. Er hatte es gewagt, in seinen Songs Kritik am Regime zu üben. Schon 2005 musste er aus dem Iran fliehen und kam nach Deutschland. Da ist er bis heute, doch die Lage hat sich nicht beruhigt, sondern zugespitzt. Denn Najafi, der als die Stimme der systemkritischen Jugend gilt, hat nicht aufgehört, sich gegen das System und die wahnsinnigen Auswüchse der Religion in seinem Heimatland auszusprechen. Der deutsche Dokumentarfilmemacher Till Schauder hat in Wenn Gott schläft sein Leben über mehrere Jahre begleitet.

In dieser Zeit haben sich die Drohungen gegen ihn massiv verschärft. Seit 2012 gilt er als zum Tode verurteilt, das Kopfgeld ist inzwischen auf eine halbe Millionen Toman angewachsen. Wie geht man damit um, dass man zum Freiwild geworden ist und auch in Deutschland mitnichten sicher? Denn egal, wo er Unterschlupf findet, andere sind auf der Suche nach ihm und wollen ihn töten. Das beweist der Fall eines anderen iranischen Sängers, der im Exil in Deutschland war und dort erstochen und zerstückelt wurde. Die Arme des Regimes sind lang und Handlanger, die im Namen Allahs alles tun, gibt es zur Genüge. Um mit der ständigen Bedrohungslage umzugehen, hat Najafi seine ganz eigenen Mechanismen entwickelt. Und die heißen: um jeden Preis weitermachen und Härte zeigen.

Man fragt sich schon, wieso ein Mann in solch einer Lebenslage erlaubt, sich filmen zu lassen. Andererseits, wie sonst soll er aufmerksam machen auf das, was da passiert? Und für Najafi ist der Film in der Tat nur Teil seiner konsequenten Wehr. Wenn Gott schläft erzählt von seinen Verstecken und seinem neuen Leben irgendwo in oder bei Köln. Eine halbwegs sichere Wohnung hat Najafi mithilfe von Günter Wallraff gefunden, der auch schon dem Schriftsteller Salman Rushdie Unterschlupf gewährte, als dieser sich wegen seines Buches Die Satanischen Verse verstecken musste. Dort arbeitet er nun weiter an seiner Musik. Von seiner alten Band ist wenig geblieben. Nur sein Bassist ist noch da. Der Rest ist aufgefüllt mit deutschen Musikern, die um Najafis Situation wissen, sich aber keineswegs einschüchtern lassen. In Deutschland hat er auch einen Landsmann gefunden, der sein Manager ist. Doch so idyllisch, wie das klingt, ist es nicht. Es zehrt an aller Nerven, dass jede Bewegung, jeder Auftritt in einer Katastrophe enden könnte. Da muss man manchmal aus dem Auto springen, weil ein komisches Geräusch die Angst vor einer Bombe aufkommen lässt. Da werden umarmende Fans zur Bedrohungslage, checkt man schon einmal vor dem Auftritt die neuen Drohungen auf den Anti-Najafi-Hassseiten, um abzuwägen, ob man wieder heil nach Hause kommt. Und Najafi selbst, der immer wieder sein Leben aufs Spiel setzt, hilft nicht immer, die Situationen zu entschärfen. Er ist ein Starrkopf, einer, der mit aller Härte voranschreitet und voranschreiten muss, denn so richtig viel anderes bleibt ihm nicht übrig. Dabei geht er auch über Freundschaften und Bedenken anderer hinweg. Überhaupt, das zeigt dieser Film deutlich, ist die Fatwa vor allem eins: die Trennung der Lebenden von den symbolisch für tot Erklärten. In gewisser Weise ist Najafi ein Wiedergänger geworden, dessen Logik sich unterscheidet von den Anderen, den Lebenden, den Freunden mit Familien, die sie noch besuchen können, und den Beziehungen, die sie in Ruhe ausleben können. Najafi und seine Freundin Leili treffen sich heimlich. Sie ist Iranerin und kommt ausgerechnet aus einer regimenahen, religiösen Familie. Najafi ist Agnostiker, Kritiker, Todgeweihter. Für ihn existiert Gott, aber er schläft wohl, denn er lässt all diese Dinge geschehen.

Till Schauder lässt sich Zeit mit seinem Film, der Najafi über mehrere Jahre zurückhaltend, aber intim zu beobachten weiß. Wenn Gott schläft ist vor allem ein Prozess – des Ankommens, des Konstituierens und des Widerstandes, der mehr und mehr die Lebensumstände erhärtet. Ab dem Jahr 2015 kommt eine ganz neue Welt als nächster Feind hinzu: das Deutschland, in dem er dann schon seit 10 Jahren lebt. Denn mit Flüchtlingsstrom, Pegida und AfD ändert sich auch hierzulande die Atmosphäre deutlich und schafft einem bis dahin schon erschöpften Najafi noch mehr Probleme.

Wenn Gott schläft ist trotz aller politischen Ebenen vor allem ein menschliches Portrait eines Künstlers, der für sein Recht auf Freiheit und Meinungsäußerung kämpft und dafür sehr viel zahlen muss. Es ist ein Film, der mehr als jegliche Debatte über den Iran zeigt, wie dieses Land tickt und was es mit seinen Kindern macht. Aber nicht nur das. So sehr hier die iranische Situation beleuchtet wird, so sehr zeigt sich auch eine deutsche auf, die Menschen wie ihm zwar Unterschlupf gewährt, ihn aber doch meidet und oftmals allein lässt. Najafi ist ein Isolierter, ein AUSländer, wie er einmal ganz korrekt betont, einer der außen steht und auch in dieser Gesellschaft nicht ankommen kann, der selbst unter deutschen Freunden umzingelt ist von Menschen, die die Tragweite und Auswirkungen seines Lebens kaum verstehen oder erfragen.
 

Wenn Gott schläft (2017)

Im Iran ist Shahin Najafi, der auch der „iranische Eminem“ genannt wird, einer der berühmtesten Musiker der neuen Generation. Aber nicht die Musik hat ihn berühmt gemacht, sondern die Fatwa, die gegen ihn ausgesprochen wurde. Er hatte es gewagt, in seinen Songs Kritik am Regime zu üben. Schon 2005 musste er aus dem Iran fliehen und kam nach Deutschland.

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