Weltstadt

"Ich mag das, wenn Leute Angst haben!"

Eine Weltstadt ist Beeskow mit Sicherheit nicht. Jedenfalls nicht, was Kultur, Einwohnerzahl und Weltoffenheit betrifft. Aber in Bezug auf die brutalen Ereignisse, die in diesem Film geschildert werden, ist Beeskow mit jeder anderen Stadt (oder Dorf) auf diesem Planeten zu vergleichen. Denn Gewalt passiert überall zu jeder Zeit – ob nun in einer westamerikanischen Metropole oder in der ostdeutschen Provinz. Christian Klandt, gebürtiger Beeskower, konnte es nicht glauben, als er vor fünf Jahren von der barbarischen Tat des versuchten Totschlags eines Obdachlosen in seinem Heimatdorf erfuhr. Nun hat er einen Spielfilm daraus gemacht, der tief unter die Haut geht und die Zuschauer mit einem beklemmenden Gefühl nach Hause entlässt.
Karsten (Gerdy Zint) ist alles andere als ein netter Zeitgenosse. Seine Freizeitgestaltung besteht aus Komasaufen, Joints rauchen und Pornos gucken, zu denen er masturbiert. Wenn er dies gerade nicht tut, dann muss er in einem Obdachlosenheim Sozialstunden ableisten, was ihm natürlich tierisch gegen den Strich geht. Sein Freund Till (Florian Bartholomäi) ist da schon etwas leidlicher, denn immerhin hat er eine Ausbildungsstelle als Malerlehrling, eine feste Freundin und so etwas wie Zukunftsvisionen. Die werden allerdings jäh zerstört, nachdem ihm sein Chef gekündigt hat. In Beeskow sieht es schlecht aus mit Ausbildungsstellen, das muss auch seine Freundin Steffi (Karoline Schuch) erfahren, die sich nach der Schule als Aushilfskraft im Solarium verdingt. Perspektiven scheinen alle drei nun nicht mehr zu haben, dennoch rechtfertigt nichts den späteren versuchten Mord an dem ortsbekannten Obdachlosen. Der erregt den Zorn der beiden jungen Männer, sehen sie ihn doch als Sozialschmarotzer, der von „ihren“ Steuergeldern lebt. So wird für das eigene Versagen schnell ein Sündenbock herbeigeholt, und anstatt des konstruktiven Diskurses wird in scheinbaren Konfliktsituationen die Gewalt als einziges Mittel gesehen. Welch Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Tills Vater (Justus Carrière) der Ortspolizist ist und später für die Verhaftung seines Sohnes zuständig sein wird. Auch Heinrich (Hendrick Arnst) hat mit den ökonomischen Missverhältnissen in dieser Region und den rechtsradikalen Übergriffen zu kämpfen. Er, selbst Opfer der Umstände, muss seine Imbissbude aufgeben, da kaum noch jemand bei ihm einkehrt. Lediglich die Neonazis statten ihm einen Besuch ab und hinterlassen Hakenkreuze an seinen Fensterläden. Es scheint, als wäre die Dorf-Jugend darauf gepolt, nur noch Schaden anzurichten, und wenn schon nicht durch positive Leistungen, so wenigstens über negative Taten auf sich aufmerksam zu machen. Da trifft die Aussage Karstens wohl auch den Kern dieses ganzen Elends: „Ich mag das, wenn Leute Angst haben! Ich bin auch nie traurig, ich bin auch nie glücklich …“ Das ist harter Tabak, drückt aber gleichzeitig auch die Hilflosigkeit dieses jungen Mannes aus. Von dessen Hilflosigkeit bemerkt der Obdachlose leider nichts, denn Karsten und Till finden diesen völlig betrunken auf einer Bank im Park und lassen – nicht minder betrunken – ihren ganzen Hass an dem armen Kerl aus, bis plötzlich ein entflammtes Feuerzeug den Mann zu einer lebenden Fackel werden lässt. Nur dank des beherzten Eingreifens Steffis überlebt der Mann. Aber ob das für ihn wünschenswert ist, bleibt zu bezweifeln.

Vor allem Gerdy Zint als Karsten überzeugt mit einer phänomenalen schauspielerischen Leistung und stellt den Protagonisten in seiner ganzen Brutalität dar, die von Autoaggression bis hin zur Gewalt an seinem Freund und schließlich dem Obdachlosen reicht. Er schafft es dennoch der Figur auch etwas Zerbrechliches einzuhauchen, so dass man trotz der unsäglichen Tat so etwas wie Mitgefühl für den jugendlichen Straftäter aufbringt und eine Ahnung bekommt, wie aus unschuldigen Kindern irgendwann gewaltbereite Erwachsene werden können. Für diese authentische Darstellung hat mit Sicherheit auch die Arbeitsweise Klandts beigetragen, der von seinen Schauspielern erwartete, im Brandenburger Dialekt zu sprechen, und der ihnen gleichzeitig einen sehr großen Freiraum für die Texte gab, denn er arbeitete ohne ausformuliertes Drehbuch. Somit mussten alle Schauspieler stark improvisieren, was mit Sicherheit eine große Herausforderung bedeutete, die aber faszinierend ist, anzusehen!

Weltstadt wurde schon vor Kinostart bereits vielfach ausgezeichnet. Unter anderem in Berlin, New York, Göteborg und Montréal. Der Regisseur Christian Klandt hat in seinem Debütfilm Weltstadt die vierundzwanzig Stunden vor der Wahnsinnstat der beiden Jugendlichen Karsten und Till eingefangen, hat fünf Lebensläufe miteinander in Verbindung gebracht und versucht, zu erklären, was Menschen dazu veranlasst, mit derartigem Hass und Gewaltbereitschaft auf andere Menschen loszugehen. Dabei ist Klandt nicht wertend, wie man es bei diesem Thema vermuten könnte, sondern er hält sich in seiner Positionierung zurück, ohne dabei irgend etwas zu beschönigen und überlässt es dem Zuschauer, sich ein Urteil zu bilden. Man geht mit Magenschmerzen aus diesem Drama heraus, denn schnell wird klar, wie sehr Arbeitslosigkeit, Ausbildungsmangel und Armut (sowohl emotionale als auch monetäre) zur Brutstätte für Gewaltbereitschaft werden kann. Es fehlt an allem. An Sozialarbeitern, an positiven Vorbildern und vor allem an Zukunftsvisionen. Wenn aber bereits die Eltern keine haben, wie sollen die Kinder dann daraus lernen? Klandt hat ein vernichtendes Gesellschaftsporträt gezeichnet, das erschreckender nicht sein könnte. Wohl dem, der in diesen Strudel aus Perspektivlosigkeit, Armut und Hass nicht hineingerät!

(Silvy Pommerenke)

Weltstadt

Eine Weltstadt ist Beeskow mit Sicherheit nicht. Jedenfalls nicht, was Kultur, Einwohnerzahl und Weltoffenheit betrifft. Aber in Bezug auf die brutalen Ereignisse, die in diesem Film geschildert werden, ist Beeskow mit jeder anderen Stadt (oder Dorf) auf diesem Planeten zu vergleichen. Denn Gewalt passiert überall zu jeder Zeit – ob nun in einer westamerikanischen Metropole oder in der ostdeutschen Provinz.
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Meinungen

Sascha · 25.03.2011

Traurig.
Schlechter film denn das was man dort sieht ist nich beeskow sonder ein nest / dorf wo nur penner und mörder rumrennen.TRAURIG