Weiße Ritter

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unerschrockene Helden im Kampf gegen das Management-Bullshit-Bingo

Sie sind so etwas wie die Underground-Heroen des deutschen Films und vielleicht am nächsten dran am anarchistischen Geist der Münchner Gruppe aus den 1960er Jahren: Die Kölner Gruppe, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren ohne dezidierte ästhetische und narrative Programmatik, aber dennoch unübersehbar als Brüder im Geiste antrat: Bernhard Marsch, Rainer Knepperges, Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler und Christian Mrasek zählen zum harten Kern dieser losen Vereinigung von Filmemachern und zwei von ihnen haben nun – natürlich mit Hilfe der anderen – einen neuen Film vorgelegt: Markus Mischkowskis und Kai Maria Steinkühlers Weiße Ritter ist der mittlerweile achte Teil des sogenannten Westend-Zyklus, der zudem noch sechs Kurzfilme und einen Langfilm (Westend aus dem Jahre 2001) umfasst. Und natürlich – das war kaum anders zu erwarten – ist Weiße Ritter so unverkennbar von der Handschrift der beiden Filmemacher geprägt, dass man ihn quasi blind als Werk aus dem Dunstkreis der Kölner Gruppe erkennen würde. Was freilich auch daran liegt, dass das Figurenrepertoire der Vorgänger hier weitergeführt wird: Die beiden Langzeitarbeitslosen Mike und Alfred (gespielt von den Regisseuren selbst) stehen auch dieses Mal wieder im Zentrum des Geschehens, das – natürlich – wieder einmal an einem Kiosk seinen Ausgangspunkt nimmt.

Dort stehen sie beisammen, das Bier in der Hand und warten. Darauf, dass irgendetwas passiert, dass das Leben vorbeischaut und ihnen ein Abenteuer spendiert. Oder eine Begebenheit. Oder vielleicht einfach nur das nächste Bier. Welch ein Glück, dass ihr Freund Rasto (Jens Claßen) gerade auf dem Business-Trip ist und einen Job an Land gezogen hat: Für ein windiges Consulting-Unternehmen, die Black Knights Consulting Ltd., soll er organisieren, dass ein Metallkoffer mit „wichtigen Papieren“ möglichst diskret von Köln nach Luxemburg geschafft wird. Und zwar so, dass die Polizei und der Zoll nichts davon mitbekommen. Also werden die beiden Kumpels angeheuert, in schicke weiße Rennfahrer-Overalls und einen Trabi mit der Heckaufschrift „Eat the Rich“ verfrachtet und ab geht die Fahrt über Landstraßen („Nehmt ja nie die Autobahn!“) durch die beschauliche Landschaft der Eifel. Wobei: Unauffällig ist das Gespann nun wirklich nicht gerade, aber gut.

Natürlich überwacht Rasto gemeinsam mit der Consulterin (Claudia Basrawi) den Transport aus einem schnieken Audi Cabrio heraus und stößt sich alsbald an der laxen Nonchalance, mit der die beiden Kuriere mit dem wertvollen Transportgut umgehen. Als sie dann noch an einer Tankstelle die Tramperin Anja (Steffi Gosejohann) auflesen, wird der scheinbar ganz einfache Auftrag viel komplizierter, als sich das alle vorgestellt haben. Zumal ein überaus charmanter Franzose (oder Belgier) sich ebenfalls auf die Spur des ominösen Koffers macht, dessen Inhalt natürlich Bargeld ist, das vor einem drohenden Konkurs in Sicherheit gebracht werden soll.

Man fühlt sich ob des stets langsam voranschreitenden Slapsticks dieser beiden Antihelden im Kampf gegen den Irrsinn der modernen Zeit(en) an Stummfilme erinnert, auch an die melancholische Lakonie eines Aki Kaurismäki, das Slackertum avant la lettre von Klaus Lemke, Werner Enke und May Spils, an den zutiefst menschlichen Humor eines Jacques Tati. Und doch sind die Filme der Kölner kein postmoderner Zitatbrei, sondern etwas ganz Eigenes und Eigentümliches, das mit seiner kristallklaren und gerne auch mal an französische Noirs erinnernden Schwarz-Weiß-Fotografie (Kamera: KaPe Schmidt) auf wunderbare Weise aus der Zeit gefallen wirkt. Zugleich aber ist Weiße Ritter bei aller (niemals verklärenden) Nostalgie auch ein Werk auf der Höhe der Zeit, das ohne erhobenen Zeigefinger und ohne auch nur eine Miene zu verziehen, die Sprachspiele des Management-Neusprech dekonstruiert und deren Lächerlichkeit demaskiert.

Ein Narrenspiel und ein lustvoller Akt des Widerstands gegen all die angestrengte Seriösität und das Business-Gequatsche – und davon gibt es nicht nur im Leben, sondern auch im deutschen Film schon wahrlich zu viel.

Weiße Ritter

Sie sind so etwas wie die Underground-Heroen des deutschen Films und vielleicht am nächsten dran am anarchistischen Geist der Münchner Gruppe aus den 1960er Jahren: Die Kölner Gruppe, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren ohne dezidierte ästhetische und narrative Programmatik, aber dennoch unübersehbar als Brüder im Geiste antrat:
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