Weiße Raben – Alptraum Tschetschenien

Der Krieg, der keiner sein darf

„Ich habe mir immer vorgestellt: Wenn du nach Hause kommst, holst du dir die Campingliege in den Garten und schläfst unter’m Apfelbaum… Unter Äpfeln… Jetzt hab’ ich Angst. Wenn wir nach Hause kommen, hat sich alles verändert: die Mode, die Musik, sogar die Straßen. Auch die Einstellung zum Krieg hat sich verändert. Wir werden weiße Raben sein…“ So beschreibt der 20-jährige Soldat Valeri Morosov seine Situation und die vieler anderer Kriegsheimkehrer, die gebrochen und desillusioniert aus dem seit Jahren andauernden Krieg im Kaukasus zurückkehren und die keinen Platz mehr finden in der russischen Gesellschaft. Denn das neue Russland unter Vladimir Putin kennt keine Verlierer, so zumindest die offizielle Lesart. Und das Land kennt nicht mal einen Tschetschenien-Konflikt. Das Morden im Süden des russischen Reiches findet quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In den Medien wird der Konflikt einfach totgeschwiegen, so dass die Heimgekehrten von jeder Möglichkeit, sich zu äußern, abgeschnitten sind. Die einzige Institution, die sich um sie kümmert, ist das „Komitee der Soldatenmütter Russlands“, das 1989 unter dem Eindruck des Afghanistan-Kriegs gegründet wurde. Auch von der sonst so freiheitsliebenden westlichen Welt ist kaum ein Wort des Protestes zu hören gegen das, was dort vor sich geht. Lediglich einzelne „Sensationen“ wie das Geiseldrama von Beslan finden noch Eingang in die Nachrichten, nach den Hintergründen und dem Alltag auf dem Kaukasus zu fragen, das hat man hierzulande allerdings längst aufgegeben.
Die beiden Filmemacher Johann Feindt und Tamara Trampe haben für Weiße Raben — Alptraum Tschetschenien über mehrere Jahre hinweg die Soldaten beobachtet, die traumatisiert und an Leib und Seele verkrüppelt keinen Platz mehr finden in einer Gesellschaft, die sie nicht haben will. Doch sie sind – und das verschweigt der Film keinesfalls – nicht nur Opfer der Regierung, sondern sie werden auch zu Tätern, was allerdings nur am Rande gestreift wird. Und selbst bei diesen Bildern ahnt man, dass das wahre Grauen in Tschetschenien um ein Vielfaches größer sein muss.

Das einzige offensichtliche Manko des Films ist, dass es den beiden Filmemachern verboten war, in Tschetschenien selbst zu drehen, so dass sie darauf angewiesen sind, den Konflikt von der „Heimatfront“ aus zu werten und zu beurteilen. Der Schrecken entsteht so im Kopf, durch quälende Interviews und Erzählungen der jungen Soldaten. Eine konkrete politische Analyse unterbleibt so freilich, denn es fehlen die Stimmen der anderen Seite, der Tschetschenen. Und ebenso bleiben die Hintergründe des Konfliktes und die Motive der russischen Regierung im Dunkeln, den Krieg auf diese Weise weiterzuführen. So ist Weiße Raben – Alptraum Tschetschenien das schockierende Dokument der Situation der russischen Kriegsheimkehrer, darüber hinaus aber hat der Film wenig an neuen Ansätzen zu bieten.

Weiße Raben – Alptraum Tschetschenien

Ich habe mir immer vorgestellt: Wenn du nach Hause kommst, holst du dir die Campingliege in den Garten und schläfst unter’m Apfelbaum… Unter Äpfeln… Jetzt hab’ ich Angst. Wenn wir nach Hause kommen, hat sich alles verändert.
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