We Come as Friends

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Mitten rein ins kolonialistische Chaos

Es kommt im Arbeitsalltag der Filmkritik höchst selten vor, dass man einen Film zwei Mal sieht, bevor man darüber schreibt. Es ist oft der erste Eindruck eines Films, der sich – zwar reflektiert, aber doch recht schnell – in geschriebenen Worten verfestigt. Dieser Text ist erst nach einer zweiten Sichtung von Hubert Saupers Dokumentarfilm We Come as Friends entstanden. Ein Film, der eine zweite Sichtung gut verträgt: Der Film ist ein Kaleidoskop von Szenen, die sich im Südsudan zur Zeit des Unabhängigkeitsreferendums 2011 abspielen. Ein Kaleidoskop in der Hand eines Regisseurs, der wie ein Alien mit seinem Ultraleichtflugzeug mitten in Afrika landet und Splitter einer befremdlichen Realität aufnimmt. Mit etwas Abstand betrachtet ergibt sich ein Gesamtbild eines von fremden Interessen zerrissenen und regierten Landes.
„We come as friends“ – Wir kommen mit freundschaftlicher Absicht. Das reklamieren alle gerne von sich, die heutzutage im rohstoffreichen Gebiet von Sudan und Südsudan zu Werke gehen und ihre Interessen verfolgen. Die christlichen Missionare aus den USA, die weiße Socken über schwarze Kinderfüßchen stülpen und Kleiderspenden verteilen, denn die Einheimischen sollen doch nicht nackt durch den Sand laufen müssen. Die chinesischen Arbeiter, die von ihrer Ölfirma in der firmeneigenen Boeing eingeflogen werden, denn zu ihren abgelegenen Ölfeldern im Grenzgebiet zum Südsudan führt keine Straße. Im Gegensatz zur Arbeit der christlichen Missionare könnte sich der Außenposten der Chinesen genauso auf dem Mars befinden. Kontakt zu den Einheimischen aufnehmen? Diese Idee finden die Arbeiter geradezu absurd.

Auch Hubert Sauper kam nach Afrika eingeflogen, gerade um in Kontakt zu kommen mit den Verhältnissen vor Ort. Nach Kisangani Diary und Darwin’s Nightmare ist We Come as Friends der dritte Dokumentarfilm, den er auf dem afrikanischen Kontinent gedreht hat. Extra für den Film hat er ein Ultraleichtflugzeug gebaut, mit dem er auch an den entlegensten Orten landen konnte. Ein Flugzeug, das eher wie ein Spielzeug aussieht: das ideale Gefährt, um neugierig empfangen zu werden und ins Gespräch zu kommen. Ein perfektes trojanisches Pferd für die Mission des österreichischen Filmemachers: Kolonialismus und moderner Imperialismus, das sind die großen Themen, die Hubert Sauper umtreiben. Die Fratze des modernen Kolonialismus, die schon in Darwin’s Nightmare schockierte, auch in We Come as Friends blickt sie dem Zuschauer wieder entgegen, wenn auch auf den ersten Blick weniger düster und bedrohlich, als eher kunterbunt und absurd.

Das liegt an der Art der Annäherung, die Sauper für seine Filmerzählung dramaturgisch gewählt hat: Er intensiviert den Eindruck des fremden Blickes auf das Geschehen, indem er mit Motiven des Science-Fiction spielt. Der Blick des Filmemachers im Flugzeug auf das afrikanische Land wird zu dem eines Aliens auf einen fremden Planeten. Ein Mann, der vom Himmel fiel und den Zuschauer mitnimmt, hinein in ein komplexes Chaos, in eine Vielfalt von – auf den ersten Blick – disparat erscheinenden Eindrücken. Christliche Missionare, chinesische Arbeiter, amerikanische Investoren, europäische Blauhelmsoldaten: die verschiedensten Mikrokosmen treiben ihre Blüten im Wüstensand, unter dem die Bodenschätze locken. In einer Szene tanzen in Stammestracht gewandete Frauen bei der Einweihung eines kleinen E-Werks, mit dem ein amerikanischer Konzern eine Dorfgemeinschaft „beschenkt“ hat. Es ist eine schräge Szene, die sich dem Zuschauer da bietet, bei der der neo-koloniale Wahnsinn auch im Detail liegt: Selbstverständlich tragen die tanzenden Frauen züchtige BHs und nicht nur Stammesschmuck auf nackter Brust. Die Missionare haben hier wohl schon vor den Investoren vorbeigeschaut.

Es ist eine bunte Reise durch die Phänomenologie einer Wirklichkeit, in der solche Absurditäten nur Ausdruck von handfesten ökonomischen Interessen im Hintergrund sind. Durch seine disparaten, aber nie zufällig gesetzten Einstichpunkte seziert We Come as Friends die Situation in einem von der Kolonialgeschichte geprägten Land – und was kommt zum Vorschein? Ein komplexes Gewebe von neo-kolonialen Strukturen. Regiert von wirtschaftlichen Interessen schreibt sich die Geschichte fort. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sehenswert ist es allerdings, wie Hubert Sauper sie mit den Mitteln des künstlerischen Dokumentarfilms auf den Punkt bringt.

We Come as Friends

Es kommt im Arbeitsalltag der Filmkritik höchst selten vor, dass man einen Film zwei Mal sieht, bevor man darüber schreibt. Es ist oft der erste Eindruck eines Films, der sich – zwar reflektiert, aber doch recht schnell – in geschriebenen Worten verfestigt. Dieser Text ist erst nach einer zweiten Sichtung von Hubert Saupers Dokumentarfilm „We Come as Friends“ entstanden. Ein Film, der eine zweite Sichtung gut verträgt: Der Film ist ein Kaleidoskop von Szenen, die sich im Südsudan zur Zeit des Unabhängigkeitsreferendums 2011 abspielen.
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