Warum halb vier?

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die ganz andere Fußball-Dokumentation

Was an einem gewöhnlichen Samstagnachmittag um halb vier in Deutschland geschieht, ist sicherlich für die allermeisten Menschen hier zu Lande, ob Fußball-Freaks oder nicht, eine leicht zu beantwortende Frage: Es ist Anstoß in den Stadien der Nation. Und das ist ein Ereignis, auf das sich unzählige Fans oftmals die ganze Woche über freuen, besonders wenn ihr auserwählter Lieblingsverein spielt.
Ist der Fußball im Allgemeinen in Deutschland ein äußerst populäres Thema, so hat es in diesem Jahr der euphorischen Weltmeisterschaft mit seiner überdimensionalen Präsenz alle Rekorde geschlagen. Wie groß die Sehnsucht der Begeisterten ist, diese Fußball-Hochzeit noch einmal nachzuempfinden, zeigen auch die Besucherzahlen der Dokumentation Deutschland. Ein Sommermärchen von Sönke Wortmann, die bereits mit einem Publikum von über drei Millionen zum erfolgreichsten Film dieses Genres überhaupt in unseren Kinos avanciert ist. Doch was hat es mit dem Phänomen Fußball jenseits seiner großen Stars und Mega-Events auf sich? Was sind das für Menschen, für die ihr Verein und seine Spiele feste Bestandteile ihres Alltags sind, und welche Bedeutung hat diese Leidenschaft für ihr Leben? Auf diese Fragen konzentriert sich der Dokumentarfilm Warum halb vier?, der im Februar auf der Berlinale Premiere hatte und der nun in die Kinos kommt.

Der Fan an sich und ausgewählte Exemplare dieser Spezies im Besonderen stehen im Mittelpunkt des Films von Lars Pape, der gemeinsam mit seinem Bruder Axel das Drehbuch zu seiner bislang zweiten Dokumentation verfasst hat – und der selbstverständlich passionierter Fußball-Anhänger ist und der Fortuna Düsseldorf bereits seit Kindertagen die Treue hält. Neben den betagten und innigen Fußballfreunden Manni und Heinz, die sich bereits in den 1950er Jahren als aktive Spieler kennen gelernt haben und die seitdem eine innige Fußball-Freundschaft durch das Auf und Ab des Daseins begleitet, ist es vor allem der Schauspieler Joachim Król, der von seiner Leidenschaft als Fan erzählt, mit der er bereits als kleiner Junge von seinem Vater angesteckt wurde. Für Król stellt das Ritual ihrer gemeinsamen Stadionbesuche äußerst intensive und wertvolle Kindheitserinnerungen dar, denn bei diesen Anlässen kamen Vater und Sohn unter sich in aller Ruhe auch über andere Dinge ins Gespräch. Vor allem aber waren und sind in Verbindung mit Fußball auch Emotionen unter Männern zugelassen, und Król erinnert sich an das erste Mal im jugendlichen Alter, als er seinen Vater jemals weinen sah – als sein Verein abstieg. Aus künstlerischer Perspektive bezeichnet der Schauspieler die Stadien, die „Bühnen des Fußballs“, als letzte große Orte, die Menschen versammeln und ihrer Sehnsucht nach Gemeinsamkeit und dem Teilen essentieller Gefühle einen Raum geben.

Ausgehend von den Fußballgeschichten dieser drei Fans begegnen wir in der Dokumentation Warum halb vier? noch einigen anderen, die zeigen, wie heterogen sich die Anhänger dieser facettenreichen Passion zusammensetzen: den ehemaligen Nationalspielern Rudi Völler und Fredi Bobic, den Managern Rudi Assauer und Reiner Calmund, dem MTV-Moderator Markus Kavka, dem Schauspieler Harry Baer, Gerd Graus (Pressesprecher OK FIFA WM 2006), Frauen des Fanclubs „Girls United“, einem Hooligan sowie einem gigantischen Chor aus Fans von Fortuna Düsseldorf im leeren Stadion, um nur ein paar aufzuzählen. Und sie alle transportieren mit ihrer Begeisterung und Verbundenheit zum Fußball und seinen Protagonisten Bilder, in denen die Faszination dieser Leidenschaft zum Ausdruck kommt. Damit gerät der Film zu einer spannenden und anrührenden Reportage, die sich gleichermaßen an Fußballnarren und solche im Volke richtet, die diese Neigung so ganz und gar nicht nachvollziehen können, denn hier steht nicht der Sport im Vordergrund, sondern die Menschen, die ihn so populär und erfolgreich machen, sowie ihre ganz persönlichen Berührungen mit diesem Phänomen.

Mit den Dreharbeiten zu Warum halb vier? wurde bereits 2004 begonnen, und der Film wurde noch vor der WM fertig gestellt. Sein Interesse richtet sich nicht so sehr auf spektakuläre Events als vielmehr auf die Verbindung zwischen dem Vereinsfußball in Deutschland und dem Leben seiner Fans, die einerseits sehr individuell daherkommen, andererseits aber gerade das gemeinschaftliche Erleben suchen. Zudem wird das Reden über Fußball als eine Art Vehikel für Gespräche über das Dasein im Allgemeinen betrachtet, was dem Film gleichzeitig eine humorige, tiefgründige und äußerst menschliche Nuance verleiht.

Warum halb vier?

Was an einem gewöhnlichen Samstagnachmittag um halb vier in Deutschland geschieht, ist sicherlich für die allermeisten Menschen hier zu Lande, ob Fußball-Freaks oder nicht, eine leicht zu beantwortende Frage: Es ist Anstoß in den Stadien der Nation.
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