Wall Street: Geld schläft nicht (2010)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Gordon Gekko is back!

Blasen, so hebt Oliver Stones sehnlichst erwartetes Sequel zu seinem Film Wall Street aus dem Jahre 1987 an, gab es schon immer. Schon lange vor den heutigen Erschütterungen des Finanzwesens, vor der Internet-Blase, die um die Jahrtausendwende herum Milliarden von Dollar vernichtete, gab es Spekulationen und Hypes wie die niederländische Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts, die am 7. Februar 1637 platzte. Kein Wunder also, dass Gordon Gekko, den Stone Ende der 1980er als Inbegriff des gewissenlosen Spekulanten etablierte, in seinem New Yorker Loft eine bildliche Darstellung jener ersten dokumentierten Blase an der Wand hängen hat. Ob dies allerdings als Menetekel oder als Ausdruck eines unbelehrbaren, eines notorischen Betrügers zu verstehen ist, darüber kann man lange nachdenken.

Der Film beginnt mit Gekkos Entlassung aus dem Knast, die gleich für die ersten Lacher sorgt: Als der Börsianer seine Habseligkeiten ausgehändigt bekommt, befindet sich darunter außer einer Geldklammer („ohne Geld“, wie der zuständige Beamte betont) auch ein Mobiltelefon, das sich gegen heutige Smartphones wie ein Relikt aus der telekommunikativen Steinzeit ausnimmt – ein Riesenknochen mit dem angestaubten Charme der späten 1980er. Ein erster Gag, der andeutet, dass Stone trotz des Ernstes seines Anliegens durchaus gewillt ist, immer wieder Bezug zu nehmen auf sein Werk aus dem Jahre 1987, als dessen Fortsetzung Wall Street: Geld schläft nicht nun antritt. Um es kurz zu machen: Die Cameos von Charlie Sheen als Bud Fox und Stones eigene Kurzauftritte sind die wenigen wirklich charmanten Stellen eines Werkes, das als Kommentar zur Finanzkrise beinahe ebenso wenig taugt wie als wirklich mitreißendes Unterhaltungskino.

Aus dem Knast entlassen reüssiert Gekko mit seinem Buch, das die provokante Frage „Ist Gier gut?“ stellt, in den Talk Shows und bei Lesungen und macht den Anschein, als habe sich durch seine Zwangspause tatsächlich etwas in seinem Denken grundsätzlich geändert. Für seinen Wandel vom skrupellosen Investor zum geläuterten Kritiker des Finanzsystems spricht auch die langsame Annäherung an seine Tochter Winnie (Carey Mulligan), die von deren Verlobtem Jacob Moore (Shia LaBeouf), einem aufstrebenden Wall-Street-Banker mit grünem Herzen, initiiert wird. Die Bankenwelt, die Stone nachzeichnet, ist reichlich schlicht geraten: Neben schwarzen Schafen und Idealisten wie Jacob gibt es keine Schattierungen und keinerlei Abstufungen – Stones moralische Maßstäbe kennen nach wie vor nur die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“, „wacker“ und „verkommen“. Mag sich auch Gekko verändert haben, Stone ist sich auch in diesem Fall nach wie vor treu geblieben. Was zugleich seine unzweifelhaften Qualitäten, aber auch sein größtes Manko als Filmemacher treffend umschreibt.

Jacob und dessen geistiger Ziehvater und Mentor Louis Zabel (Frank Langella) gehören in dieser Schwarzweiß-Welt natürlich zu den „guten“ Jungs, doch im Haifischbecken der Finanzwelt ist für solche Typen kein Platz. Während Zabel durch Gerüchte und Kursmanipulationen in den Ruin und schließlich in den Selbstmord getrieben wird, versucht Moore, beim Spiel der großen Jongleure mitzumischen und vor allem den durchtriebenen Investment-Banker Bretton James in die Enge zu treiben – was schließlich dank der freien Presse (bemerkenswert, dass es sich hierbei um die Website seiner Freundin Winnie und nicht um Print-Institutionen wie die New York Times handelt) auch gelingt. Womit Jacob aber nicht gerechnet hat, ist ausgerechnet der eigene Schwiegervater in spe. Denn entgegen dem ersten Anschein ist Gekko immer noch im Spiel und scheut auch nicht davor zurück, die eigene Tochter finanziell aufs Kreuz zu legen. Doch auch Gekko hat seine weiche Stelle und die lange Zeit des Nachdenkens hat möglicherweise doch ein Umdenken in ihm bewirkt.

Als Analyse der Finanzkrise hat Wall Street: Geld schläft nicht kaum etwas Neues oder gar Relevantes zu erzählen und findet bemerkenswert schlichte Erklärungen für die systemischen Erschütterungen des Weltfinanzsystems. Die Schieflage der Weltwirtschaft als Folge der Spiele omnipotenter „masters of the universe“, die keinerlei Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, war in den letzten Monaten so häufig Bestandteil von Kommentaren und Analysen, dass man sich wünschen würde, zumindest im Kino würde das Nachdenken ein wenig weiter gehen. Möglicherweise ist der bekennende Patriot und wertkonservative „Linke“ Oliver Stone der falsche Mann für eine fundierte Kritik des Finanzsystems und seiner Grundlagen – dafür mag er einfach das Menschliche, das Menschelnde zu sehr. Dass der ebenso gerissene wie skrupellose Finanzjongleur Gekko am Ende doch Herz zeigt und für die gute Sache eintritt, kann für Oliver Stone natürlich nur einen Grund haben: Wer wie Gekko in Aussicht gestellt bekommt, Opa zu werden, der muss sich natürlich vom Saulus zum Paulus wandeln. Ach, wenn die Welt doch so einfach wäre.
 

Wall Street: Geld schläft nicht (2010)

Blasen, so hebt Oliver Stones sehnlichst erwartetes Sequel zu seinem Film „Wall Street“ aus dem Jahre 1987 an, gab es schon immer. Schon lange vor den heutigen Erschütterungen des Finanzwesens, vor der Internet-Blase, die um die Jahrtausendwende herum Milliarden von Dollar vernichtete, gab es Spekulationen und Hypes wie die niederländische Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts, die am 7. Februar 1637 platzte.

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Meinungen

Gekko · 28.10.2010

Wer Fan von Michael Douglas ist sollte den Film nicht verpassen. Die Romanze der Nachwuchsschauspieler hätte kürzer ausfallen könnnen aber ansonsten ein super Film.