Venus im Pelz (2013)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Zweikampf der Geschlechter

Die Kamera gleitet eine Straße entlang, biegt dann ab und führt den Zuschauer hinein in ein altes, ranziges Theater irgendwo in Paris. Dort im Saal sitzt Thomas (Mathieu Amalric), Schriftsteller, Theaterregisseur und seiner Meinung nach sensibler Intellektueller. Er hat den ganzen Tag Vorsprechen mit Schauspielerinnen für sein neues Stück gehabt — die Venus im Pelz — frei nach Sacher-Masochs Skandalbuch über einen submissiven Mann, der eine junge Frau dazu verführt, seine Herrin zu werden und ihn zu versklaven. Doch keine der Schauspielerinnen hat ihm gefallen.

Die Hälfte sah aus „wie Dominas, die andere Hälfte wie Butchlesben“. Doch dann erscheint Vanda (Emanuelle Seigner). Sie ist laut und prollig, hyperaktiv und ungebildet und dazu noch mehrere Stunden zu spät und pitschnass vom Regen. Vanda ist alles was Thomas an einer Frau hasst. Doch ihre krude Art verstört ihn so sehr, dass er sie doch vorsprechen lässt. Vanda spielt die gleichnamige Rolle der dominanten Frau, Thomas nimmt die Rolle des devoten Mannes ein. Schon nach den ersten Sätzen ist Thomas hin und weg, Vanda hat unglaubliches Talent und brilliert in ihrer Rolle. Die beiden lesen weiter, agieren und interpretieren den Stoff auf der Bühne und mehr und mehr vermischen sich Realität und Theaterstück. Allerdings nicht in der Art und Weise, wie erwartet. Denn mehr und mehr spielt Vanda mit Thomas, lockt sein wahres Ich aus ihm heraus und dekonstruiert ihn und sein Stück bis ins kleinste Detail.

Wer jetzt spekuliert, dass dieser Film zu einer kleinen sadomasochistischen Orgie wird, der hat recht. Allerdings geschieht diese nicht im klassisch sexuell-körperlichen Sinne, sondern vor allem im Kopf. Denn Vanda holt nicht die Peitsche heraus, sondern bringt Thomas immer mehr aus der Fassung und konfrontiert ihn so schamlos mit sich selbst, bis seine wahren Beweggründe für das Stück zu Tage treten. Und nein, so plump ist Roman Polanski nicht, Thomas ist nicht einfach ein repressiv devoter Mann. Thomas ist ein mehr oder weniger repressiver Misogynist. Und auch wenn er es sich nicht eingestehen will, seine Adaption des Romans handelt eben nicht davon, dass die Frau die Macht bekommt, sondern davon, dass die Frau unter dem Deckmäntelchen des submissiven Dienens des Mannes eigentlich doch wieder nur sein Objekt ist und für seinen Spaß zu sorgen hat.

Emanuelle Seigner und Mathieu Amalric bestreiten diesen Film als Kammerspiel komplett allein auf der Theaterbühne und die beiden spielen sich Bälle mit einer Leichtigkeit und Passion zu, dass man hingerissen ist von dieser charmanten Natürlichkeit. Das Ganze erinnert sehr an die Machart und Atmosphäre von Gott des Gemetzels — keine schlechte Sache. Der Geschlechterkleinkrieg mit erotischer Note ist aber keineswegs ein Drama. Venus im Pelz bietet viel zu lachen und vor allem Emanuelle Seigners zauberhaftes Hin- und Herwechseln zwischen prollig und kultiviert, leicht devot und grausam dominant, Schauspielerin und Regieassistentin verschafft dem Film die nötige Würze, damit er nicht eine Sekunde langweilig wird.

Und nicht zuletzt steckt auch hier wieder ein wenig über Roman Polanski selbst im Film. Immerhin handelt es sich hier um einen (dem etwas jüngeren Polanski recht ähnlich sehenden) Regisseur und dessen Umgang mit seinen Schauspielerinnen. Oder wie Vanda einmal sagt: „Mit Sadomasochismus kenne ich mich aus. Ich bin Schauspielerin.“

Polanski hat es also wieder geschafft einen sehr reduzierten aber unglaublich feinen Film mit einem kleinen Ensemble zu machen, der ganz ohne Extras intelligente und witzige Unterhaltung bietet. Dieser Film wird ein Arthausknüller des Jahres werden.
 

Venus im Pelz (2013)

Die Kamera gleitet eine Straße entlang, biegt dann ab und führt den Zuschauer hinein in ein altes, ranziges Theater irgendwo in Paris. Dort im Saal sitzt Thomas (Mathieu Amalric), Schriftsteller, Theaterregisseur und seiner Meinung nach sensibler Intellektueller. Er hat den ganzen Tag Vorsprechen mit Schauspielerinnen für sein neues Stück gehabt — die Venus im Pelz — frei nach Sacher-Masochs Skandalbuch über einen submissiven Mann, der eine junge Frau dazu verführt, seine Herrin zu werden und ihn zu versklaven. Doch keine der Schauspielerinnen hat ihm gefallen.

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Meinungen

Kinokaktus · 15.01.2014

Ich habe den Film in Leipzig auf der Filmkunstmesse gesehen und fand ihn auf eine subtile Weise unglaublich fesselnd, mit hinreißenden Dialogen, gleichzeitig in hohem Maße amüsant. Habe mich trotz großen Konsums an neuen Filmen keine Sekunde gelangweilt.

Orhan · 29.11.2013

Wunderschöner Film.. Sehr empfehlenswert...

Carlos · 27.11.2013

Super Film!

Wen's interessiert: Die Erzählung "Venus im Pelz" von Leopold Ritter von Sacher-Masoch, geschrieben 1870, kann man auf www.zeno.org in voller Länge online lesen: