Underexposure

Lebenszeichen aus Bagdad

„Underexposure“ ist ein Ausdruck aus der Filmsprache und bedeutet so viel wie Unterbelichtung: Und genau diese Unterbelichtung, beziehungsweise die Angst davor waren die Begleitumstände zu diesem außergewöhnlichen Film, der der erste irakische Spielfim nach dem Zusammenbruch des Saddam-Regimes und die erste deutsch-irakische Zusammenarbeit im Filmbereich überhaupt war.

Den Titel seines Films hat der irakische Regisseur Oday Rasheed aus der seltsamen Beschaffungssituation des Filmmaterials abgeleitet, auf dem der Film gedreht wurde: In einem der Archive Saddams lagerte seit Jahrzehnten abgelaufenes Kodak-35mm-Material, welches eigentlich nur noch dazu genutzt wurde, eingeschmolzen zu werden, damit das im Zelluloid enthaltene Silber gewonnen und in bare Münze umgewandelt werden konnte. Rasheed gelang es, einige tausend Meter (9000 m genau) auf dem Schwarzmarkt zu erwerben. Doch er konnte vor den Dreharbeiten nicht mehr überprüfen, ob das Material tatsächlich noch zu gebrauchen war. Trotzdem wurde es in die Kamera gelegt und der komplette Film gedreht – ohne dass die Beteiligten wussten, was das seit mehr als 10 Jahren abgelaufene Material noch hergeben würde. Ein enormes Risiko, denn im ungünstigsten Fall wäre der ganze Film umsonst gedreht worden

Und ebenso bizarr waren auch die Umstände der Entstehung, wie Tom Tykwer und Maria Köpf, die beiden deutschen Co-Produzenten des Films in den Produktionsnotizen berichten: Underexposure wurde in Bagdad zwischen November 2003 und April 2004 gedreht und zwar nahezu ohne Budget. Keiner der Beteiligten hatte Geld und das technische Equipment wurde aus alten Lagern zusammengesucht. Auch die Schauspieler kamen mehr oder minder zufällig zusammen, und einige von ihnen kapitulierten vor den Gefahren, die ihnen am Set drohten. Ganz abgesehen von dem Aufwand und dem Risiko, sich mit einem kompletten Filmteam durch eine Stadt wie Bagdad zu bewegen. Dass der Film trotz dieser Umstände überhaupt fertig gestellt werden konnte, ist bereits ein großes Kinowunder.

Im Mittelpunkt des Films steht der Filmemacher Hassan, der nach dem amerikanischen Angriff auf den Irak beschließt, das Leben der Menschen, seiner Freunde und seiner Nachbarschaft im zerstörten Bagdad zu dokumentieren. Er, der Dokumentarfilmer, führt durch Ruinen, Nebenstraßen und Wohnungen in Bagdad, zeigt uns die Stadt nach dem Krieg – und das Leben einiger Menschen, die alle auf ihre eigene Art und Weise mit der neuen Situation umgehen. Und zwischendrin versucht er immer wieder, inmitten des Chaos seine eigene Haltung zu reflektieren.

Underexposure ist in seiner Mischung aus Inszeniertem und Gefundenem ein bemerkenswertes Dokument und als solches von unschätzbarem historischem Wert. Vielleicht werden manche Zuschauer auch deshalb die etwas steifen und schweren Monologe und die fiktiven Szenen, in deren Mittelpunkt der Regisseur steht, für überflüssig erachten. Doch sie sind auch ein Zeichen dafür, wie verunsichert das Land ist und wie sehr Künstler hier erst einmal nach ihrer eigenen Position suchen müssen. Der Film ist ein deutliches Signal aus Bagdad, dass der irakische Film nun langsam beginnt, den langen Weg zurück in die internationale Filmszene anzutreten. Man darf gespannt sein.

Underexposure

Underexposure ist ein Ausdruck aus der Filmsprache und bedeutet so viel wie Unterbelichtung.

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Meinungen

Auch Peter · 11.01.2021

Mich beeindruckt der Mut dieses Projekt umgehend umzusetzen, trotz der unsicheren Bedingungen :D Aber später wäre es dann halt zu spät gewesen, der Regiesseur hat eine große Chance genutzt!

Peter · 09.08.2005

eben das wundert mich an diesem Film,richtig!.)

@Peter · 03.08.2005

Erstaunlich, wie sehr Film immer noch mit großbürgerlicher Kunst gleichgesetzt wird ;-)

Peter · 03.08.2005

Erstaunlich, wie selbst in den Trümmern der Wille, grossbürgerliche Kunst zu machen ungebrochen bleibt.