Under the Hawthorn Tree

Eine Filmkritik von Lida Bach

Rot wie Blut, weiß wie Schnee

„Lieblicher Weißdorn mit weißen Blüten, die an deinen Zweigen blühen / Lieblicher Weißdorn, warum bist du so traurig?“ Die traurig-süße Melodie umspielt Jing unter dem Weißdorn, doch der blüht nicht. Seine Knospen dürfen sich nicht entfalten wie es die Liebe zwischen Jing und Sun nicht darf. „Ein falscher Schritt kann dein ganzes Leben ruinieren“, warnt Jings Mutter die Jugendliche. Ein solcher ist im maoistischen China leicht getan, weiß die Tochter eines politischen Häftlings. Schule, Arbeit, Freiwilligendienst, Gehorsam! Nur die Liebe zu Sun bringt einen sanften Hoffnungsschimmer und Zärtlichkeit in Jings trostlose Existenz. Doch die gemeinsame Zeit mit dem Sohn eines Parteikaders währt nur kurz.
Under the Hawthorn Tree beginnt und endet die Handlung von Zhang Yimous zärtlich sehnsuchtsvollem Liebeslied. Das Fortdauern des Baumes und der sehnsuchtsvollen Ballade, die sich um ihn rankt, ist stummer Trotz gegen die Unterdrückung. „So erzählt man, so erzählt man…“, murmelt ein alter Lehrer, als ein jüngerer Parteikader ihn unterbricht, um die Heldensage zu predigen. Aus seinen leisen Worten spricht das Wissen um die unzähligen Dinge, die vor der Kulturrevolution bestanden und nach ihr bestehen werden. Das Lied und der Weißdorn währen noch im letzten von Yimous ruhigen Bildern, bevor der Abspann Dunkelheit über sie senkt. Doch ihr Triumph ist bitter.

Jing und Sun tragen beide auf ihre Weise Spuren von ihrer Beziehung davon. Jings Füße zeigen die Wundmale der Arbeit, zu der sie sich aus Furcht vor Repressionen freiwillig gemeldet hat. An Suns Arm vernarbt der Schnitt, den er sich vor den Augen des Mädchens zufügt. Die physischen Verwundungen stehen für die seelischen Wunden. Psychische und körperliche Verletzungen fügen die Jugendlichen sich selbst zu. Nicht um den anderen emotional zu erpressen, sondern weil der auf alle Lebensbereiche ausgeübte staatliche Druck sie dazu zwingt. Politische Umerziehung wuchert zu emotionaler Umerziehung. Das pervertierte System fordert von seinen Untertanen sinnbildlichen Masochismus.

Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Manche schmerzen jeden Tag schlimmer. Die Qual der Trennung wächst beständig. Verblasst die Erinnerung, macht das Vergessen den Verlust endgültig. „Ihr seid noch jung“, sagt Jings Mutter, „Ihr habt noch soviel Zeit.“ Von Suns schwerer Krankheit ahnt sie nichts. Dennoch sind die Worte grausame Ironie. Die Ermahnungen nötigen das Paar zur Trennung, wie sie Jings Eltern erleiden. Unbewusst zwingt Jings Mutter ihrer Tochter das Schicksal auf, welches sie ihr ersparen will.

Der wehmütige Tonfall der alten Mutter verrät, dass sie die Hoffnung auf eine Zukunft mit ihrem Mann aufgegeben hat. Sollte er frei kommen, wird er abgestumpft sein, wie sie. Eine Wiedervereinigung im Alter kann das verlorene Glück der Jugend nicht ersetzen. Die Jahre der Entbehrung und des vergeblichen Wartens töten die Gefühle langsam ab. Nur in einer einzigen Szene zeigt Zhang Yimou die Blüten. Dann sind sie weiß. Weiß ist in China eine Farbe der Trauer. Die roten Blüten bleiben unsichtbar, wie das, was sein könnte. Was ersehnt, erhofft oder erzählt wird, aber nicht ist. Was niemals sein wird. „Unter dem Weißdorn“ weilen nur vergebliche Lieder, kein Glück.

Under the Hawthorn Tree

„Lieblicher Weißdorn mit weißen Blüten, die an deinen Zweigen blühen / Lieblicher Weißdorn, warum bist du so traurig?“ Die traurig-süße Melodie umspielt Jing unter dem Weißdorn, doch der blüht nicht. Seine Knospen dürfen sich nicht entfalten wie es die Liebe zwischen Jing und Sun nicht darf. „Ein falscher Schritt kann dein ganzes Leben ruinieren“, warnt Jings Mutter die Jugendliche. Ein solcher ist im maoistischen China leicht getan, weiß die Tochter eines politischen Häftlings. Schule, Arbeit, Freiwilligendienst, Gehorsam! Nur die Liebe zu Sun bringt einen sanften Hoffnungsschimmer und Zärtlichkeit in Jings trostlose Existenz. Doch die gemeinsame Zeit mit dem Sohn eines Parteikaders währt nur kurz.
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Meinungen

Sky · 17.02.2011

ein sehr beweglicher film.

Michael · 14.02.2011

Wir haben am Samstag und Sonntag etliche Filme auf der Berlinale gesehen, - dieser war der beste. Traurig-süß erzählt, in wunderschönen Bildern, von einer großen Liebe, die dennoch tragisch enden muss. Schade, dass der Film nicht Teil des Berlinale-Wettbewerbs ist und den Goldenen Bären somit nicht gewinnen kann!