Übriggebliebene ausgereifte Haltungen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

... der Goldenen Zitronen

Musik und Politik sind zwei Gebiete, die zunächst einmal wenig Berührungspunkte zu haben scheinen, und doch hat politische Musik in den unterschiedlichsten Ausprägungen eine lange Tradition, die nicht nur in entsprechenden Texten besteht. Manche Musiker und Bands, zu denen zweifellos Die Goldenen Zitronen gehören, repräsentieren mit ihrem gesamten Stil und Auftreten eine ganz spezifische, jedoch auch wandelbare sozialpolitische Haltung, die mitunter auch selbstkritisch eine Reflexion und Positionierung innerhalb der stark kommerzialisierten Branche transportiert und nicht selten eine Gegenkultur zum vorherrschenden Habitus initiiert. In seiner „Rockumentary“ mit dem griffigen Titel Übriggebliebene ausgereifte Haltungen entwirft Regisseur Peter Ott nicht nur ein musikalisches Porträt der Goldenen Zitronen, sondern auch ihrer internen wie öffentlichen Wirkungsgeschichte, in deren jahrelangem Verlauf sich einige twists and turns ereignet haben.
Die Hamburger Musiker Die Goldenen Zitronen, die vor beinahe 25 Jahren als Punkband die einschlägigen Bühnen betraten und von denen mit Schorsch Kamerun und Ted Gaier der harte, heftige Kern erhalten geblieben ist, sind nach wie vor umtriebig in Sachen Klang und Missklang unterwegs. Ihr einst selbst gewähltes und inszeniertes Underdog-Image hat die Band nach Alben wie „Fuck You“ (1990), „Schafott zum Fahrstuhl“ (2001) und vor allem „Lenin“ (2006) allmählich transzendiert, doch die geradezu programmatische, urwüchsige Ungefälligkeit, die sich als charmant-chaotische Konstante identitätsstiftend durch ihre wandelvolle Geschichte trotzt, hat sich kaum jemals von den Zitronen getrennt, wie auch die Dokumentation Übriggebliebene ausgereifte Haltungen illustriert. Anhand von Archivmaterial, Interviews mit kundigen Protagonisten rund um die Band und dokumentarischen wie inszenierten Aufnahmen zeichnet Regisseur Peter Ott eine fragmentarische Skizze der Goldenen Zitronen vor dem Hintergrund ihrer umfangreichen philosophischen und sozialpolitischen Reflexionen.

Es wären nicht die standhaft schwer zu fassenden Golden Lemons, würden sie sich trotz ihrer förderlichen Haltung dieser Dokumentation gegenüber nicht auch auf ihre ganz eigene Art einem gewöhnlichen Entstehungsprozess verweigern. So werden die Interviews, die der Regisseur mit Schorsch Kamerun und Ted Gaier geführt hat, im Film lediglich verlesen, und als Peter Ott zur Arbeit anrückt, destillieren seine Darsteller geflissentlich. Doch Protagonisten wie die Ex-Zitronen Aldo Moro und Ale Sexfeind, die Journalistin Clara Drechsler, Melissa Logan, Enno Palluca, Stephan Rath und einige andere bringen ihre Statements und Stimmungen vor die Kamera, wobei es neben humorigen Anekdoten immer wieder um die Haltungen und Positionierungen der Goldenen Zitronen in Vergangenheit und Gegenwart, um Themen wie Authentizität versus Kommerzialität und letztendlich um die Frage geht, inwiefern ein gewisses Maß an Erfolg und Popularität innerhalb der engagierten, vom üblichen Business distanzierten Musikszene möglich, nötig, wünschenswert ist. Dabei besteht Peter Otts Leistung vor allem darin, dass er nicht resignativ einer Vorstellung hinterherläuft, die die Zitronen nicht bereit sind zu geben, sondern sich mit milder Eigenironie auf das stürzt, was zu haben ist – und das ist ein dichtes, wildes Szenario von verknüpften Figuren, deren übriggebliebene, mitunter tatsächlich durchaus ausgereift anmutende Haltungen das pralle Leben verkörpern.

Übriggebliebene ausgereifte Haltungen

Musik und Politik sind zwei Gebiete, die zunächst einmal wenig Berührungspunkte zu haben scheinen, und doch hat politische Musik in den unterschiedlichsten Ausprägungen eine lange Tradition, die nicht nur in entsprechenden Texten besteht.
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Meinungen

Hartzler · 19.11.2008

Der Film ist ein Muss für alle "Goldies" Fans. Ich hab mir den Film gleich bestellt. Kann man bei Buback.de