Twelve

Eine Filmkritik von Florian Koch

Reich, schön, verloren

Vor fünfzehn Jahren provozierte Larry Clark mit einem kompromisslosen Drama die Kinogänger. Kids hieß seine Studie der 90er Jahre Jugend(un)kultur in New York. Drogen, Sex, Partys und emotionale Leere kennzeichneten diese verlorene Generation. Im Kontext dieses Films wurde gerne auf das Alter des Regisseurs verwiesen. Denn Clark war bereits 52 Jahre alt, als Kids entstand. Dass man im hohen Alter mit erstaunlicher Genauigkeit und Schärfe die Probleme der Jugend zu analysieren im Stande ist, bewies zuletzt auch Gus van Sant (Paranoid Park).
In Twelve ist es mit Joel Schumacher nun sogar ein 71-Jähriger Filmemacher, der sich mit den verkommenen Sprösslingen der New Yorker Oberschicht beschäftigt. Seine zynische Gesellschaftsanalyse basiert auf dem gleichnamigen Roman von Nick McDonell. Der intime, fast fragmentarische, Einblick in eine Drogendealerkarriere schockierte, weil McDonnell gerade einmal 17 Jahre alt war, als er den autobiographischen Bestseller 2002 herausbrachte.

Twelve stellt ein Panoptikum an jungen Charakteren vor, deren Gemeinsamkeiten sich auf das reiche Elternhaus und das „Spasshaben-Prinzip“ reduzieren lassen. Um die im Film gezeigten exzessiven Partys zu garantieren, braucht es einen Mittelsmann, der von außen die Drogenzufuhr steuert. Dieser Versorger ist White Mike (Chace Crawford), ein kluger, gut aussehender 17-Jähriger, der die Highschool geschmissen hat, weil er im Drogenhandel das große Geld wittert. In der Spring Break-Zeit ist White Mike besonders gefragt, denn die Kids haben schulfrei und ihre Eltern befinden sich auf Geschäftsreisen oder im Urlaub. Er selbst verachtet im Innersten sein Dealer-Leben und hält sich von Alkohol und Drogen völlig fern. Das eint ihn mit der unbedarften Jugendfreundin Molly (Emma Roberts). Sie ist White Mikes einziger Bezugspunkt, seine heimliche Liebe. Aber um nicht sein Doppelleben zu gefährden, beschränkt White Mike den Kontakt mit der intelligenten jungen Frau auf ein Minimum.

Viel gefährlicher als White Mike ist sein Dealerkollege Lionel (Rapper 50 Cent), der nicht nur die lebensgefährliche Designerdroge „Twelve“ vertickt sondern in einem Streit sogar White Mikes Cousin erschießt. Die Konflikte spitzen sich zu, als Mikes Kumpel Hunter (Philip Ettinger) für den Mord verantwortlich gemacht werden soll und das (be)rauschende Geburtstagsfest des selbstgefälligen High School-Sternchens Sara (Esti Ginzburg) ansteht. In der Villa des überforderten Teenies Chris (Rory Culkin) und seines psychopathischen Bruders Claude (Billy Magnussen) steigt am Ende die Party; hier kreuzen sich die Wege von White Mike, Lionel und auch von Molly zum letzten Mal.

Die viel beschworenen Vergleiche mit Kids sind im Fall von Twelve absolut gerechtfertigt. Zwar ist das Milieu in Richtung Oberschicht verschoben, der Tenor bleibt aber der Selbe. Schumacher führt seine Protagonisten mit einem distanziert-verachtenden Blick vor. Diese Jugendlichen wirken unmenschlich, unsolidarisch, stumpf und austauschbar. Nur White Mike als schwer zu fassender Träumer und die fast surreal liebenswürdige Gegenfigur Molly lässt Schumacher hier außen vor.

Trotz der Fülle an leblosen, auf sich selbst bezogenen Konsumcharakteren gelingen Schumacher immer wieder bewegende, wahrhaftige Momente, die an seine frühen Arbeiten wie The Lost Boys oder an seine Independentausflüge (Tigerland) erinnern. Da ist das Schicksal von Jessica, glaubwürdig verkörpert von Emily Meade, die in ihrer Abhängigkeit von „Twelve“ immer mehr ihre Würde verliert. Oder der kleine Chris, der alles versucht, um zur „besseren“ Highschool-Gesellschaft dazuzugehören. Oder Claude, intensiv gespielt von Billy Magnussen, der nicht von seinen Eltern akzeptiert wird und in jeder Sekunde durchzudrehen droht. All diese Figuren haben ihre Momente, die sie verletzlich machen, und den falschen Schein um sie herum vergessen lassen. Sie alle eint die völlige Distanzierung von der Elterngeneration. Ihre Väter und Mütter sorgen sich nur um sich selbst, kommunizieren mit den Kindern, die sie eigentlich gar nicht kennen, nur per Handy oder am Bildschirm. Und in diesen wenigen Gesprächen geht es nie um Träume, Wünsche, Hoffnungen, Sorgen, sondern fast nur um Geld.

Die kollektive Verlorenheit und Einsamkeit der eigentlich materiell alles besitzenden Teenies arbeitet Schumacher in Twelve grandios heraus. In nur 23 Tagen und mit einem Minibudget von knapp fünf Millionen Dollar drehte der Routinier (Die Jury, Der Klient) sein Gesellschaftsporträt herunter. Auch wenn er gelegentlich Zeitlupen oder Split-Screens verwendet, hält sich Schumacher mit technischen Mätzchen erfreulich zurück. Es gelingt ihm aber nicht, den Überblick über das gigantische Figurenpersonal zu behalten. Viele Konflikte werden nur angerissen, bleiben ungelöst. Da hilft auch nicht der aufdringliche Erzähler (im Original von Kiefer Sutherland gesprochen), der gerade zu Beginn nahezu ununterbrochen über die Charaktere und das Milieu schwadroniert. Mit einer gelungenen Auflösung der Romanstruktur hat diese merkwürdig unfilmische Herangehensweise nichts zu tun.

Twelve bleibt am Ende der zwiespältige Versuch, 15 Jahre nach Kids, wieder ein vernichtendes New Yorker Jugendporträt zu entwerfen. Auch wenn Schumacher im Einzelnen bewegende Szenenminiaturen gelingen, im Ganzen versagt sein erzählerischer Ansatz auf Grund einer wenig durchdachten Dramaturgie, die nie stringent und konzentriert, sondern immer fahrig und unzusammenhängend wirkt.

Twelve

Vor fünfzehn Jahren provozierte Larry Clark mit einem kompromisslosen Drama die Kinogänger. „Kids“ hieß seine Studie der 90er Jahre Jugend(un)kultur in New York. Drogen, Sex, Partys und emotionale Leere kennzeichneten diese verlorene Generation. Im Kontext dieses Films wurde gerne auf das Alter des Regisseurs verwiesen. Denn Clark war bereits 52 Jahre alt, als „Kids“ entstand. Dass man im hohen Alter mit erstaunlicher Genauigkeit und Schärfe die Probleme der Jugend zu analysieren im Stande ist, bewies zuletzt auch Gus van Sant („Paranoid Park“).
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Meinungen

David · 01.11.2010

Um so mehr Respekt dass ein 17ten jähriger so etwas schreiben kann,nicht so wie der Kollege unten meinte:man merkt dass,die Buchvorlage von nem 17ten jährigen geschrieben wurde,er könnte es wahrscheinlich auch nicht als erwachsener besser,aber naja! ich spreche aus Erfahrung leider, in der Drogen Welt, sind es leider meistens genauso flache eindimensionale,oberflächliche Persönlichkeiten,bei denen es sich nur um das 1ne dreht.

Lola rennt · 25.10.2010

Dani und wie auch du dich da nennst.....ich finde eure ansichten zu den film einfach unreif...
ihr wisst nicht wie das leben abäuft, weil das was dort gezeigt wird " genau das ist, was ihr seid" gelangweilte kids die mit nix mehr zu schocken sind..........der film will damit ausdrücken wie schnell man in den drogensumpf (siehe die figur von jessica) abrutschen kann......es kann in jeder schicht passieren.....und das find ich schon krass
angenommen ihr drinkt auf einer party von einem anderen glass und da war irgendwas drin...ihr füllt euch geil....ach ja an dem tag ist etwas passiert und ihr seit richtig down un dann das....pumps seid ihr drin

dieser film soll die augen offnen.....also ist er nicht langweilig!!!!!!

Dani · 18.10.2010

Langweilig... Laaaaaangweilig!!!!!!

Ich hatte mich echt auf den Film gefreut, ich dachte dass das mal wieder ein richtig guter Streifen ist, aber weit gefehlt. Ich hab - glaube ich - noch nie einen langweiligeren Film gesehen. Die Story an sich wäre ja gar nicht mal übel, aber die Umsetzung ging total nach hinten los. Lest das Buch, aber tut Euch den Film nicht an. 95 Minuten reine Zeit- und Geldverschwendung. Traurig, aber wahr!

lejeanbaba · 06.10.2010

Hab den Film heute in der Premiere gesehen. Gleich vorweg: er basiert auf der Vorlage eines 17 Jährigen (leider kein Junggenie). So wirkt er auch: platte, eindimensionale Charaktere, die völlig zusammenhangslos durch New York stolpern und ganz dolle Schwierigkeiten mit Drogen und lieblosen reichen Eltern haben. Dazwischen gibts immer wieder ernste Lebenweisheiten und Einsichten (solche wie man sie auf Schulfeiern nach 7 Bier hatte), die eine Stimme aus dem Off dahinsäuselt. Sehr sehr unglaubwürdig das Ganze und ziemlich spannungslos. Wenigstens gibts mit einer Amokschiesserei am Ende eine versöhnliche Komponente für die verlorene Zeit. Vielleicht ist das Buch ja besser...