Trennung

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Vom Privaten ins Politische – Nahöstliche Begegnungen

Wie einfach doch eine israelisch-palästinensische Annäherung sein kann, das zeigt der Prolog zu Amos Gitaïs neuem Film Trennung / Désengagement: Auf einer Zugfahrt von Italien nach Frankreich begegnen sich eine holländische Palästinenserin (Hiam Abbass) und ein französischer Jude (Liron Levo) und rauchen gemeinsam auf dem Gang eine Zigarette. Verwundert und belustigt stellen sie fest, dass sie vieles gemeinsam haben: Beide tragen eine ganze Reihe von Ethnien und Nationalitäten mit sich herum und sind im Grund ihres Herzens heimatlos – „Ich glaube, wir sind im Grunde doch alle Beduinen.“ Der irritierte Hinweis des italienischen Zöllners, dass hier eine Palästinenserin und ein Israeli friedlich beisammen stehen, kann an der gegenseitigen Anziehung nichts ändern, so dass die zufällige Begegnung schließlich in einer leidenschaftlichen Umarmung mündet.
Und doch sind die Grenzen und das Trennende allgegenwärtig in diesem Film. Als der Vater von Ana (Juliette Binoche) in Paris stirbt, begegnet sie nach langem ihrem Stiefbruder Uli wieder, eben jenem Fremden aus der Begegnung im Zug. Nach einigem Zögern entschließt sich die stets etwas verrückt wirkende Ana dazu, nach Israel zurückzukehren, wo sie einst in einem Kibbuz eine Tochter auf die Welt brachte, die sie dann zur Adoption freigab. Allerdings erfolgt die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit nicht ganz freiwillig, denn es ist der letzte Wille von Anas Vater, dass sie den Kontakt zu ihrer verlorenen Tochter wieder aufnimmt; sie soll ihr das ausstehende Erbe ihres Großvaters persönlich aushändigen. Die nun anstehende Reise – man ahnt es bereits – wird Anas lethargisches Leben in Erstarrung gehörig durcheinander bringen.

Mit Uli, der zuhause als Polizist arbeitet, macht sie sich auf in den Gaza-Streifen, wo ihre Tochter Dana (Dana Ivgy) als Lehrerin arbeitet. Ein ums andere Mal steht sie vor verschlossenen Türen, vor Grenzen, vor Zäunen und Mauern – manchmal auch menschlichen aus Polizeischilden – und muss am eigenen Leibe erfahren, wie tief zerrissen und gespalten die Region des Nahen Ostens ist. Die Leichtigkeit der Begegnung zwischen ihrem Stiefbruder und der Palästinenserin vom Beginn des Films, sie erscheint wie eine Utopie, wie ein schöner Traum. Denn die Zeiten für die lang ersehnte Begegnung von Mutter und Tochter sind denkbar ungünstig, denn just in diesem Moment soll die Siedlung mit militärischer Gewalt geräumt werden. Und es ist ausgerechnet ihr eigener Stiefbruder, der die Räumungsaktion leitet.

Trotz seines bitteren Endes ist Trennung / Désengagement kein resignativer, sondern eher ein verhalten wütender und zutiefst emotionaler Film, der zeigt, wie sehr Privates und die Politik im Nahen Osten miteinander verbunden sind. Was Amos Gitaï ebenfalls zeigt, ist die Manipulationskraft der israelischen Politiker, die die Menschen in diesem Konflikt wie Schachfiguren herumschieben, um sie zur Ansiedlung auf palästinensischem Gebiet zu bewegen. Und sobald sich die strategische Großwetterlage geändert hat, werden die Siedlungen wieder niedergerissen. Die Heimatlosigkeit der beiden Parteien, der Juden und der Palästinenser, sie sind also nicht nur das Ergebnis der Geschichte, dieser beiden Völker, sondern auch die Folge einer Politik, die die brisante Lage bewusst in einem Schwebezustand hält.

Die Ungewissheit über die Zukunft und die stets mit Schmerz verbundene Utopie, dass die Trennung des Landes vielleicht doch eines Tages überwunden werden kann – sie gelten gleichermaßen für den Nahen Osten und für Ana, die am Ende entdecken wird, wie sehr ihr ihre Tochter all die Jahre gefehlt und welch tiefe Wunde die Trennung bei ihr hinterlassen hat. Doch die Hoffnung, dass eines Tages alles gut werden wird, sie bleibt.

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Wie einfach doch eine israelisch-palästinensische Annäherung sein kann, das zeigt der Prolog zu Amos Gitaïs neuem Film Trennung / Désengagement:
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