Träume der Lausitz

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Geschliffene Landschaft

„Gott hat die Lausitz geschaffen, und der Teufel hat die Kohle unter ihr vergraben.“ Diese sorbische Weisheit zieht sich konsequent durch den Dokumentarfilm von Bernhard Sallmann, der sich mit einer entleerten, vom Braunkohleabbau gezeichneten Landschaft auseinandersetzt, in Wahrheit damit aber eine Liebeserklärung an die Lausitz abgibt.
Die Lausitz ist eine Region im Osten Deutschlands und Polens, die Jahrzehnte lang vom Braunkohlenabbau bestimmt war und sich nun, durch die Stilllegung der Gruben, langsam entleert, verändert aber auch regeneriert. Jeder der wenigen Übriggebliebenen hat seine eigenen Träume in und von der Lausitz. Während sich ein Rentner die Zeit mit Amateurfunken und Standardtanz vertreibt, verschönert ein anderer die Landschaft mit künstlerischen Steinarrangements und der nächste verfolgt Wolfsspuren, wofür er sich mit einer Hängematte in den Baumwipfeln auf die Lauer legt. Letzterer ist einer der Wenigen, der trotz seines jugendlichen Alters in die Lausitz gezogen ist. Die meisten schlagen den Weg in die andere Richtung ein, da es kaum noch Arbeitsplätze gibt. Beispielsweise hat Hoyerswerda seit den achtziger Jahren knapp die Hälfte an Einwohnern eingebüßt, was unter anderem an der Einstellung des Tagebaus liegt. Der führt nicht nur zu einer demografischen Veränderung, sondern auch zu einer geografischen, da die Landschaft durch die Kohleentnahme etwa acht bis zehn Meter tiefer gelegt wurde und durch die Wiederherstellung des normalen Grundwasserspiegels bzw. durch die Flutung von alten Braunkohlerevieren neue Seen und Bäche entstehen. Kaum vorstellbar, dass aus der jetzigen grünen Hügellandschaft in fünf Jahren eine Seenlandschaft entstehen soll. Das würde das Image dieser Region heben, Touristen anlocken und nicht zuletzt neue Arbeitsplätze schaffen.

Der Österreicher Bernhard Sallmann hat mit Träume der Lausitz den dritten Teil seiner Lausitz-Trilogie fertiggestellt, und hat diese fast schon surreal anmutende Landschaft wie Fotografien filmisch aneinandergereiht. Größtenteils verzichtet er auf Erläuterungen, lässt die Bilder für sich sprechen, verzichtet konsequent auf Filmmusik und unterstreicht damit den Charme der dämmrig-einsamen Idylle dieser malträtierten Landschaft. Mit Kameraschwenks im Zeitlupentempo bildet er Naturschauspiele ab oder zeigt Projekte der Internationalen Bauausstellung, die in den Jahren von 2000 bis 2010 dem Strukturwandel der Region wirtschaftliche, künstlerische und ökologische Anstöße gegeben hat. Er lässt aber auch Einwohner der Lausitz zu Worte kommen, die wahlweise voller Wehmut der Vergangenheit gedenken oder positiv der Zukunft entgegensehen, und er zeigt unter anderem ein Rentnerehepaar, das sich rückwärts eine rostrote Treppe eines futuristischen Gebäudes hinabquält. Fast könnte man dies symbolisch für die überalterte Bevölkerung betrachten und den vermeintlichen Fortschritt des Braunkohlenabbaus, der sich in ökologischer Hinsicht als Rückschritt herausgestellt hat. Aber Sallmann verpackt das alles so ästhetisch, dass für Trost- oder Hoffnungslosigkeit kein Raum gelassen wird, sondern er verdeutlicht, dass diese Landschaft im Wandel ist und für sie der Weg nach vorne geht. Dabei wird vor allem deutlich, dass die Lausitz eine traumhafte Landschaft ist, die trotz oder wahrscheinlich eher wegen der menschlichen Abwanderung eine große Anziehungskraft besitzt.

Beim 19. Filmfestival in Cottbus wurde Träume der Lausitz mit dem Förderpreis der DEFA-Stiftung ausgezeichnet, dürfte aber für weit mehr als die Einwohner dieses Landstriches interessant sein, denn Sallmann setzt sich mit den Auswirkungen des Raubbaus der Natur auseinander, der weltweit auch in vielen anderen Regionen stattfindet. Neben den Folgen, die das letztendlich für den Menschen hat, wirft der Österreicher allerdings auch einen Blick auf die Chancen, die man durch Nachhaltigkeit und Rekultivierung hat. Somit ist es kein moralisierender Dokumentarfilm, der sich an das schlechte Gewissen richtet, sondern ein positiver Blick auf die Natur, die sich mit Hilfe des Menschen ihr ehemaliges Refugium zurückerobert.

Träume der Lausitz

„Gott hat die Lausitz geschaffen, und der Teufel hat die Kohle unter ihr vergraben.“ Diese sorbische Weisheit zieht sich konsequent durch den Dokumentarfilm von Bernhard Sallmann, der sich mit einer entleerten, vom Braunkohleabbau gezeichneten Landschaft auseinandersetzt, in Wahrheit damit aber eine Liebeserklärung an die Lausitz abgibt.
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