Zeit der Kannibalen (2014)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Ein böser Blick auf böse Menschen

Klötze aus Pappmaché, die rudimentär eine Stadt darstellen sollen; eine Sonne, die zu Anfang angeknipst wird: Das ist der Hintergrund des Films, der ab und zu durch die Hotelzimmerfenster zu sehen ist. Innen, abgeschottet von dieser Welt, spielt sich das Treiben zweier Unternehmensberater ab. Ihren Blick schotten sie bewusst und absichtlich mit Scheuklappen ab: Die immergleichen Zimmer und immergleichen Meetings sind ihr Leben, das Außen ein Störfaktor, der ausgeblendet wird.

Szenen im Hotelzimmer: Johannes Naber (Der Albaner) inszeniert in höchst filmischer Form eine theaterhafte Prämisse. In klar abgegrenzten Räumen spielt sich diese absurde Satire ab, eine Welt, in der Chinesen gegen Russen ausgespielt werden, wo kurzerhand eine 120 Millionen-Euro-Produktionsstätte um hunderte Kilometer von Indien nach Pakistan verlegt werden soll — einfach, weil damit keiner rechnet und weil vielleicht in Pakistan mehr Zukunft steckt als in Indien. Eine Welt, in der das große Ziel ist, Partner in der „company“ zu werden. Eine Welt, in der Zynismus zur Lebensphilosophie wird und Distanzierung zum Stil.

Naber wirft einen bösen Blick auf böse Menschen, die böse Geschäfte treiben. Und weiß sehr genau, wie er seine Figuren, ihre Lebenseinstellung, ihre Haltung und ihr Verhalten auf den Punkt zu bringen hat. Die Bestürzung ist groß, als ein Konkurrent bei der Beförderung zum Partner bevorzugt wird. Und fast ebenso groß, als kurz darauf dessen Selbstmord bekannt wird. Wieso hat er das gemacht? Der hat doch finanziell ausgesorgt! Klar ist jedenfalls: Aus Hotelzimmern kann man nicht springen, die Fenster lassen sich nicht öffnen. Vielleicht hat er deshalb auf ein eigenes Büro hingearbeitet?

Die Dynamik des Alptraumteams, mit Genuss gespielt von Sebastian Blomberg und Devid Striesow (der seinem durchaus ähnlichen Charakter schon in Petzolds Yella hier die komische Variante danebenstellt), erhält neuen Schub mit einer frischen Kollegin: Bianca (Katharina Schüttler) will tatsächlich die Welt verändern, mit unerschütterlichem Idealismus will sie das Leben der Menschen verbessern! Eine ungeheuerliche Haltung — die aber vielleicht auch nur aufgesetzt ist, erstens, weil social skills etwas bringen, zweitens, weil sie einen Geheimauftrag im Gepäck hat: Evaluation der Kollegen zur Beurteilung ihrer Fähigkeiten als Partner.

Die Dreierkonstellation ergibt eine Reihe höchst köstlicher Momente. Diskurse um Moral und Menschlichkeit, die von Striesow mit böser Ironie stets in den Schmutz des Profanen gedrückt werden. Spott gilt nicht nur den Kunden, den normalen Menschen, die die Auswirkungen der ausbaldowerten Unternehmensstrategien zu spüren bekommen, Spott gilt stets auch dem Kollegen. Und Blomberg lässt seine Wut, seinen Stress oder seine Langeweile ganz direkt an den niederen Hotelangestellten aus, die ihm im Weg stehen. Das Zwiegespann Zynismus und Neurose: Das sind die, die den Kapitalismus lenken. Die Mission ist die Ausbreitung des Kapitalismus. Nicht, weil es dann den Menschen besser geht. Sondern, weil er die Welt, böse wie sie ist, zerstören wird.

Gut: Zu Teilen läuft sich das Konzept etwas müde. Weil wir die Botschaft des Films, so kurzweilig und originell sie auch rübergebracht wird, alsbald verstanden haben, und zwischendurch sich nur wenig Neues ergibt. Doch dann, mit neuer künstlicher Stadtlandschaft, die Lagos in Nigeria darstellen soll, kommt ein neues Element hinzu. Denn wenn die Beratungsstrategen schon systematisch die Welt ausklammern und sich nicht kümmern um die Menschheit — dann kommt die Menschheit zu ihnen, dann dringt die Welt ins Hotel ein. Und dann wird es schlimm.
 

Zeit der Kannibalen (2014)

Klötze aus Pappmaché, die rudimentär eine Stadt darstellen sollen; eine Sonne, die zu Anfang angeknipst wird: Das ist der Hintergrund des Films, der ab und zu durch die Hotelzimmerfenster zu sehen ist. Innen, abgeschottet von dieser Welt, spielt sich das Treiben zweier Unternehmensberater ab. Ihren Blick schotten sie bewusst und absichtlich mit Scheuklappen ab: Die immergleichen Zimmer und immergleichen Meetings sind ihr Leben, das Außen ein Störfaktor, der ausgeblendet wird.

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