Zazy

Eine Filmkritik von Falk Straub

Das teuflische Schneiderlein

Der deutsche Film traut sich endlich (wieder) Genre zu. Auch Matthias X. Obergs Zazy über eine Auszubildende (Ruby O. Fee), die sich ihren Weg ins Showgeschäft erpresst, erinnert in seinen besten Momenten an klassische Psychothriller.
Matthias X. Obergs jüngstes Werk hat alle Zutaten für einen gelungenen Genrefilm: eine Protagonistin mit Femme-fatale-Qualitäten, einen soziopathisch veranlagten Mitstreiter und eine Ausgangslage wie aus dem Krimihandbuch. Zazy (Ruby O. Fee) ist vom Leben gelangweilt. Ihre Schneiderlehre ödet die 18-Jährige ebenso an wie das idyllische Städtchen am Gardasee, wo sie diese absolviert. Die Freizeitmöglichkeiten sind begrenzt. Also lümmelt Zazy auf der Couch oder schläft mit ihrem Freund Tomek (Paul Boche). Was sie stattdessen arbeiten will, weiß Zazy nicht so recht. Musikerin wäre toll, aber sie spielt kein Instrument, oder irgendwas beim Fernsehen. Hier kommt Marianna (Petra van de Voort) ins Spiel. Die Frau eines prominenten Sportlers und Quiz-Moderators (Philippe Brenninkmeyer) beginnt im Urlaub eine Affäre mit Zazys Chef. Als dieser von einem gemeinsamen Ausflug mit der Geliebten nicht zurückkehrt, sieht Zazy ihre Karrierechance gekommen. Ein Spiel um Erpressung und Täuschung beginnt.

Was sich auf dem Papier wie ein genüsslicher Thriller liest, findet seine Entsprechung auf der audiovisuellen Ebene. Kameramann Ralf M. Mendle taucht Zazy in lichtdurchflutete Bilder, die dennoch Kälte verströmen. Patrik Metzgers Montage verwebt geschickt Zukunft und Vergangenheit, blendet vor und zurück, um Stimmungen zu transportieren. Und wenn Mendles Kamera zu Simon Rummels rätselhaften Klängen vom Gardasee auf das Hotel am Ufer zuschwankt oder über die Landschaft des Trentino schwebt, dann weht ein Hauch von Hitchcock durch Matthias X. Obergs Film. Doch letztlich findet der Regisseur und Drehbuchautor für all diese Zutaten nie das richtige Mischungsverhältnis.

Für einen Thriller bleibt Zazy zu brav, spitzt zu wenig und nicht entschieden genug zu. Zahlreiche Motive und Versatzstücke deutet das Drehbuch zwar an, führt sie dann aber nicht konsequent zu Ende. So gibt sich die Protagonistin beispielsweise gern lasziv, nachdem sie ihren Weg von Italien in Mariannas deutsches Zuhause gefunden hat. Dann sitzt die 18-Jährige nur leicht bekleidet am Frühstückstisch oder steigt nackt in den Pool. Die Verführung des befreundeten Ehemanns bleibt jedoch aus. Ebenso sträflich vernachlässigt Oberg Zazys Eindringen in die fremde Familie und die Erpressung. Hier agieren die Figuren kühl und distanziert, wo Leidenschaft brennen könnte. Fast scheint es so, als wolle Oberg Zazy immer dann mit Vernunft erden, wenn der Film, den Genreregeln folgend, abzuheben drohte.

Doch auch als psychologisches Drama mit bloßen Genreeinsprengseln funktioniert Zazy nur bedingt. Das liegt in erster Linie daran, dass nicht alle Figuren die nötige Tiefe aufweisen. Während Zazys Entwicklung zur skrupellosen Karrieristin zwar arg lückenhaft, aber immerhin noch nachvollziehbar erscheint, wirken Tomeks Übersprungshandlungen völlig aus der Luft gegriffen. Schon recht früh stellt sich dadurch das Gefühl ein, keinem Menschen aus Fleisch und Blut, sondern einem (talentierten) Schauspieler bei der Arbeit zuzusehen. Das unerwartete Ende, das schließlich jedweder Ratio zuwiderläuft, stößt zudem bitter auf. Und so bleibt Zazy ein seltsamer Zwitter, irgendwo zwischen ambitioniertem Drama und halbherzigem Genrekino.

Zazy

Der deutsche Film traut sich endlich (wieder) Genre zu. Auch Matthias X. Obergs „Zazy“ über eine Auszubildende (Ruby O. Fee), die sich ihren Weg ins Showgeschäft erpresst, erinnert in seinen besten Momenten an klassische Psychothriller.
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