Yellow Cake: Die Lüge von der sauberen Energie

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unsere strahlende Zukunft

„Wohin mit dem radioaktiven Müll?“ ist seit vielen Jahren einer der brisanten politischen Streitpunkte in Deutschland. Der Streit um das geplante Atomendlager Gorleben und die skandalösen Berichte um die Erprobung der Schachtanlage Asse II sind ein Thema, das die Menschen auf die Straße bringt — auch und gerade in den letzten Monaten. Weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt hingegen ist ein Problem im Zusammenhang mit der Atomenergie, das mindestens ebenso wichtig erscheint: Was passiert mit den Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus? Der Dokumentarfilmer Joachim Tschirner hat mit Yellow Cake: Die Lüge von der sauberen Energie einen Film über das Thema gedreht, der einem Angst und Bange macht.
Der Film beginnt in Deutschland und wirkt mit seinen Bildern beinahe wie die Aufarbeitung einer bislang sträflich vernachlässigten deutsch-deutschen Geschichte: Bis 1990 existierte in Thüringen und Sachsen der drittgrößte Uranbergbau der Welt, bekannt unter dem Namen „Deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft Wismut“. Bis zur Schließung der Anlage wurden hier 220.000 Tonnen Uran (was ungefähr der Menge entspricht, die man für 32.000 Hiroshima-Bomben gebraucht hätte) in die damalige Sowjetunion geliefert, 120.000 Menschen arbeiteten hier. Seit der Schließung sind fast sieben Milliarden Euro in die Aufräumarbeiten geflossen, mehrere Tausend Bergleute sind hier beschäftigt, die Hinterlassenschaften der eigenen Vergangenheit zu beseitigen – eine Ende der Maßnahmen ist aber noch lange nicht in Sicht.

Während in Deutschland immerhin der Uranbergbau schon lange eingestellt ist, geht die Suche nach dem wertvollen Metall in anderen Ländern unvermindert weiter. Mit dem Energiehunger von China und Indien und der Renaissance der Kernenergie als „Brückentechnologie“ (weltweit befinden sich gerade 150 neue Atomkraftwerke im Bau oder in der Planung) ist der Uranbergbau ein lukratives Geschäft mit exponentiell steigenden Profiten. Um das Zwanzigfache hat sich der Preis für Uran in den letzten Jahren gesteigert und bringt vermeintlichen Wohlstand nach Namibia und in andere Länder, wo die Auflagen und Bestimmungen nicht so „streng“ sind wie anderswo. Allerdings gilt auch dort, was man auch in Deutschland besichtigen kann – sei es im Bezug auf kriselnde Banken oder bei Energiekonzernen: Die Gewinne der gefährlichen Geschäfte werden gerne mitgenommen, die Verluste und enormen Risiken trägt die Allgemeinheit. 99,3 Prozent des abgebauten Gesteins ist für die Gewinnung von Uranoxid („yellow cake“ genannt) unbrauchbar, mit verschiedensten Schwermetallen belastet und stark radioaktiv strahlend wird es unzureichend gesichert gelagert, verseucht den Boden, die Pflanzen das Grundwasser, kurz: die Lebensgrundlagen ganzer Landstriche.

Neben Deutschland hat Joachim Tschirner fünf Jahre lang für Yellow Cake: Die Lüge von der sauberen Energie in Namibia, Australien und Kanada recherchiert und gedreht. Die Mischung aus Leichtsinn, Profitgier und Ohnmacht seitens der Betroffenen ist überall stets die gleiche. Umso mehr Bewunderung muss man für die Aborigines in Australien empfinden, die bislang allen Angeboten, ihr angestammtes Land gegen Millionensummen zu verlassen, widerstanden haben. Ähnlich viel Rückgrat würde man sich im Fall des Uranbergbaus auch mal gerne von Seiten der Politik wünschen – die Hoffnung ist mit Blick auf die jüngst gefallenen Entscheidungen in Berlin allerdings recht aussichtslos.

Das Problem ist nur: Diejenigen, die aus diesem Film ihre Lehren ziehen könnten, werden einen Teufel tun, ihn sich anzuschauen. Und diejenigen, die ihn sich anschauen, sind sowieso gegen die fragwürdigen „Segnungen“ der Atomkraft. Bei aller Akribie und aufklärerischen Arbeit, die Joachim Tschirner mit seinem Film leistet, haftet dem Werk der vermeintliche „Makel“ der vergeblichen Liebesmüh an. Was aber keineswegs als Argument gegen Yellow Cake: Die Lüge von der sauberen Energie verstanden werden soll, sondern eher als Resignation angesichts der normativen Kraft des Faktischen.

Gerade eben hat der Bundespräsident die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke abgesegnet. Der Kampf um den gelben Kuchen und die unübersehbaren Spätfolgen des Uranabbaus werden uns nicht nur in den folgenden Jahren, sondern noch einige Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende lang begleiten. Hans-Eckhardt Wenzels Lied „Erst nach 100 Jahren… wasch ich mir Gesicht und Hände“, das den Film wie ein Leitmotiv durchzieht und das auf einem Song des Folk-Poeten Woody Guthrie beruht, erscheint angesichts der Langlebigkeit des Problems, das hier geschaffen wurde, wie ein höhnisch-verzweifelter Kommentar. Bis zu 1,4 Milliarden Jahre strahlen die Abfallprodukte, die ungesichert gelagert werden. Und mit Händewaschen ist es auch nicht getan – beängstigende Aussichten für die versprochene strahlende Zukunft.

Yellow Cake: Die Lüge von der sauberen Energie

„Wohin mit dem radioaktiven Müll?“ ist seit vielen Jahren einer der brisanten politischen Streitpunkte in Deutschland. Der Streit um das geplante Atomendlager Gorleben und die skandalösen Berichte um die Erprobung der Schachtanlage Asse II sind ein Thema, das die Menschen auf die Straße bringt — auch und gerade in den letzten Monaten.
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Meinungen

Waldplanet · 24.06.2011

Absolut sehenswert, was jedoch die, die die Moral daraus ziehen sollten nie tun werden, weil sie ihren Rachen nie voll genug kriegen. Und das auf Kosten anderer, die bewußt belogen werden.
Fazit:
Betreiber von Atomkraftwerken schreiten, ohne mit der Wimper zu zucken, eiskalt über Leichen.
Mitschuld sind auch die Endverbraucher, die den Dauerauftrag an die Atomkonzerne noch nicht gekündigt haben, nur weil ihnen gebetsmühlenartig eingeredet wird, daß die Strompreise steigen würden, wenn man die AKW´s abschaltet.

Physiker · 27.02.2011

Man sollte sich folgende Fragen stellen:
- Ist Kritik an Umweltschäden beim Uranbergbau Kritik an der Nutzung von Uran per se, oder Kritik an (Arbeits)Bedingungen, die man verbessern kann. (Ist der Uranpreis für den Energiepreis relevant?)
- Rebellieren die Aborigines nicht gegen sämtliche Eingriffe in ihr Land (Kohlebeabbau) ?
- Ist Uranabbau wirklich schlimmer als Kupfer, Gold, Kohleabbau ?
- Flugasche aus Kohlekraftwerken hat in etwa den selben Urangehalt wie Uranerz und fällt etwa in selbem Maße an. Wird nicht immer Radioaktivität und Schwermetalle freigesetzt, wenn man Bergbau betreibt?
- Ist Kohleasche nicht auch voller Schwermetalle und Uran?
- Wie kann es sein, daß Uran als schwacher Strahler nach Entfernung aus dem Erz stark strahlenden Abraum hinterlässt?
- Ist die Luftradonkonzentration eine andere bei Untertage, als bei Tagebau ?
- Ist Radon nicht bei fast allen Abraumhalden ein Problem?
- Lüften die Kritiker des Uranerzbergbaus regelmäßig ihre Keller? Hüten sie sich vor Granit?

Fragen ueber Fragen...

Liebe Grüße
Physiker

Frank G. · 26.01.2011

Äußerst sehenswerter Film, der ambitioniert darstellt was ist, ohne Stimmung zu machen. Der Betrachter ist betroffen und desillusioniert, ohne die Möglichkleit einer Lösung erhoffen zu dürfen.