What We Become

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine dänische Zombie-Apokalypse

Dass der skandinavische Film über eine beachtliche Affinität zum Genrekino verfügt, weiß man nicht allein wegen der vielen vornehmlich schwedischen Krimiserien, die jeden Sonntagabend über die heimischen Bildschirme flimmern, sondern auch wegen Werken wie Tomas Alfredsons meisterlichem Vampir-Coming-of-age-Drama So finster die Nacht (2008), dem beachtlichen When Animals Dream von Jonas Alexander Arnby (2014) und und manch anderen Filmen. Mit What We Become macht sich nun ein neuer Film aus Dänemark daran, die Tradition fortzusetzen und zu beweisen, dass im hohen Norden nicht nur Vampire und Werwölfe lauern, sondern jederzeit auch mit einer Zombie-Invasion zu rechnen ist. Erst recht dann, wenn zu Beginn alles so beschaulich und fast ein wenig spießig ausschaut wie in diesem Falle.
Sorgenfri ist eine kleine Vorstadt von Kopenhagen und eigentlich, wie der Name es bereits andeutet, ein Hort der Ruhe, Behaglichkeit und des Konformismus; hier besteht das Schlimmste, was einem widerfahren kann darin, dass man in irgendeiner Weise negativ auffällt und aus der Reihe tanzt. Kein Wunder also, dass der Teenager Gustav (Benjamin Engell) total abgenervt ist von so viel Spießigkeit, aber zum Glück ist ja gerade eben erst mit der attraktiven Sonja (Marie Hammer Boda) eine Gleichgesinnte in seine Straße gezogen, die das langweilige Dasein ein wenig freundlicher gestaltet. Dann aber geschieht noch etwas, das das Leben in Sorgenfri auf den Kopf stellt: In einem nahegelegenen Pflegeheim bricht ein aggressiver Virus aus, der die Infizierten in beißwütige Monster verwandelt. Das Militär rückt an, um die weitere Verbreitung des Virus zu stoppen, doch wird der Lage nicht Herr. Und so müssen sich Gustav, Sonja und ihre Familien auf ihre ganz eigene Art und Weise gegen die Bedrohung zur Wehr setzen.

Es ist schon perfide, dass im Falle von Bo Mikkelsens handwerklich beachtlichem und atmosphärisch dichtem Langfilmdebüt ausgerechnet die Spießer und Langweiler aus der Vorstadt die vorderste Frontlinie gegen die blutrünstigen Monster bilden. Denn so sieht sich die behütete Mittelschicht schnell ihrer zivilisatorischen Fassade beraubt und offenbart ihren eigenen skrupellosen Charakter, wenn es um das eigene Überleben geht. Im Prinzip zeigt What We Become die dünne Schicht der Zivilisation, die, wenn man nur ein klein wenig an der Oberfläche kratzt, schnell die wahre Natur des Menschen enthüllt — und ja, man fühlt sich dabei, wenn man dies nur ein klein wenig weiterspinnt, durchaus an aktuelle politische Ereignisse erinnert, die ein ähnlich pessimistisches Bild auf die moderne Gesellschaft werfen. Aber letztendlich geht es ja seit jeher genau darum in Zombiefilmen jeglicher Machart: Über das Vordringen des Fremden und die eruptiven Abwehrreaktionen, die selbst einer Epidemie gleichen.

Doch selbst jenseits dieses politischen Subtextes, der von Mikkelsens soziologisch sezierendem Blick durchaus befördert wird, hat What We Become auch für Genrefans einiges zu bieten: Nach eher ruhigem Beginn, in dem der Regisseur die Atmosphäre des Bedrohlichen mit ruhiger Hand immer weiter steigert, explodiert das Geschehen und entlädt sich in einigen monströsen Gewaltszenen, ehe am Ende alles wieder zur scheinbaren Normalität zurückkehrt, die dann allerdings reichlich beschädigt erscheint.

Ein beachtliches Debüt, das zwar das Genre des Zombiefilms nicht neu erfindet und manche kleineren dramaturgischen Schnitzer aufweist, das aber zeigt, dass Dänemark mehr zu bieten hat als gediegenes Arthouse-Kino.

What We Become

Dass der skandinavische Film über eine beachtliche Affinität zum Genrekino verfügt, weiß man nicht allein wegen der vielen vornehmlich schwedischen Krimiserien, die jeden Sonntagabend über die heimischen Bildschirme flimmern, sondern auch wegen Werken wie Tomas Alfredsons meisterlichem Vampir-Coming-of-age-Drama „So finster die Nacht“ (2008), dem beachtlichen „When Animals Dream“ von Jonas Alexander Arnby (2014) und und manch anderen Filmen.
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