We Need to Talk About Kevin

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Gewaltstudie in Blutrot

Rot wie Blut beginnt dieser Film. Immer wieder sehen wir Rot in allen Schattierungen. Wie ein finsterer, monströser Traum durchdringt es in den ersten Minuten von Lynne Ramsays Film We Need To Talk About Kevin jedes Bild. Es füllt die Leinwand aus, färbt die Bilder ein und endet schließlich in einer gigantischen, beinahe wie ein bizarres Ritual anmutenden Tomatenschlacht, in deren Mittelpunkt Tilda Swinton von viele Armen hochgehoben und wie ein Leichnam weitergereicht wird — ein furioser Auftakt für einen Film, der sich mit den Ursprüngen eines entsetzlichen Gewaltaktes beschäftigt und erzählt, welche Ereignisse der Tat vorausgingen.
Im Mittelpunkt steht dabei nicht der Blick auf den Täter, sondern auf dessen Mutter, deren Leben durch das Massaker vollkommen aus den Fugen gerät, weil sie selbst gleich in mehrfacher Hinsicht zum Opfer wird. Schon früh zeigt sich, dass Kevin kein Kind wie jedes andere ist. Seit seiner Geburt ist der Junge ein wahrer Quälgeist, dessen ganzes Tun und Verhalten nur darauf abzuzielen scheint, sich in größtmöglicher Opposition zu seiner Mutter Eva (Tilda Swinton) durch die Welt zu bewegen. Hilflos dem Teufelsbraten ausgeliefert, muss die erfolgreiche Reiseschriftstellerin miterleben, wie Kevins Soziopathie und Misanthropie schließlich in eine unfassbare Bluttat mündet.

Rückblickend erzählt, wechselt Lynn Ramsay in ihrem Film, der auf dem gleichnamigen Roman von Lionel Shriver aus dem Jahre 2003 beruht, meisterhaft die Zeitebenen zwischen dem Leben vor und nach der Tat und zeigt auf zutiefst beeindruckende Weise, wie schutzlos in diesem Fall Kevins Mutter der Entwicklung ihres Sohnes ausgeliefert ist und wie sehr sie anschließend darunter leiden muss: Mit blutroter Farbe werden ihr Haus und ihr Auto beschmiert, sie selbst auf offener Straße geohrfeigt und selbstverständlich als Mitschuldige, vielleicht sogar als die wahre Schuldige, auf jeden Fall aber als Rabenmutter für das Massaker verantwortlich gemacht.

We Need To Talk About Kevin ist eine eindrückliche Studie in Blutrot über die Hintergründe und Nachwirkungen einer schrecklichen Tat, beeindruckend gespielt von einer überragenden Tilda Swinton, die hier nach ihrem Auftritt in Eric Zoncas Julia abermals eine Frau am Rande des Abgrunds verkörpert.

We Need to Talk About Kevin

Rot wie Blut beginnt dieser Film. Immer wieder sehen wir Rot in allen Schattierungen. Wie ein finsterer, monströser Traum durchdringt es in den ersten Minuten von Lynne Ramsays Film „We Need To Talk About Kevin“ jedes Bild.
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