Was bin ich wert?

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der Mensch als Kosten-Nutzen-Rechnung

In der Mitte des Lebens kann es leicht passieren, dass man sich plötzlich weniger wert vorkommt. So geht es auch dem Filmemacher Peter Scharf (Oliviero Toscani — Bilderwut), der mit 47 Jahren feststellt, dass er rentenmäßig unterversichert ist und den auch noch ein Fußleiden plagt. Scharf will also erfahren, wie viel er wert ist, in Geld ausgedrückt. Er spricht mit Ökonomen und Juristen über Berechnungsmodelle, wie sie zum Beispiel zur Festsetzung von Entschädigungen oder Schmerzensgeld dienen. Weil das Alter dabei eine Rolle spielt, konstatiert Scharf: „Ich bin eine Art Aktie, deren Kurs langsam runtergeht.“ Selbst sein Sperma erweist sich, als er es einer Samenbank verkaufen will, laut Befund als „zu schlecht“. So gesehen ist es eine durchaus beachtliche Summe, die Scharf am Ende für sich selbst aus verschiedenen Kalkulationsmodellen ermittelt: 2,4 Millionen US-Dollar. Das ironische Roadmovie hat seine Weltpremiere auf dem Münchner Dokumentarfilmfestival 2014.
Der Film ist inspiriert von Jörn Klares Buch Was bin ich wert? Eine Preisermittlung aus dem Jahre 2010. Scharf spricht mit einigen der dort erwähnten Experten, lässt vieles, was allzu mathematisch klingt, weg und fügt Human-Touch-Geschichten hinzu. In Kiew findet er einen Händler, der Haare verkauft. Mutet dieser Besuch noch einigermaßen skurril an, so wird es in Moldawien ernst. Denn dort spricht Scharf mit Männern, die auf Arbeitssuche nach Istanbul fuhren und feststellten, dass sie ihre Niere spenden sollten – für rund 2500 Dollar. Einer von ihnen bricht vor der Kamera in Tränen aus, als er von seinem Leben nach der Organentnahme erzählt. Aber auch in der reichen Schweiz verkaufte ein Mann sozusagen einen Teil seines Körpers: Er ließ sich von einem Künstler dafür bezahlen, dass dieser seinen Rücken tätowieren durfte. Nun aber ist er als lebendes Kunstwerk dazu verpflichtet, sich regelmäßig zur Schau stellen zu lassen.

Die Grundprämisse dieser filmischen Rundschau ist die Unmoral, den Menschen nach rein ökonomischen Gesichtspunkten zu evaluieren. Insofern stehen die Fronten tendenziell fest, wenn sich Scharf zum Beispiel das Konzept des unternehmerischen Humankapitals erklären lässt. Oder aber wenn der Amerikaner Kenneth Feinberg darüber spricht, wie er im Auftrag der Regierung die Entschädigungen für Angehörige der Opfer vom 11. September festlegte. Das jeweilige Einkommen der Getöteten spielte dabei eine Rolle, was eine Hinterbliebene und implizit auch Scharf ethisch fragwürdig finden.

Diese subjektive filmische Inspektion erklärt zu wenig, greift zu kurz. Das gilt besonders für die komplizierten Rechenmodelle, die im Gesundheits– oder im Verkehrswesen kursieren. Indem Scharf die vielen angeschnittenen Punkte wie absonderliche Fundstücke präsentiert, verhindert er eine tiefer gehende Betrachtung. Das auffälligste stilistische Mittel ist die häufige Präsenz des Autors in Bild und Ton. Sie erinnert an Population Boom von Werner Boote. Scharf filmt sich in allen möglichen, oft auch neckisch intendierten Momenten, zu Hause und sogar auf dem Operationstisch. Dazu macht er sich laut Gedanken über das Erlebte und Gehörte. Der lustige Grundton allein aber vermag es nicht, die sehr unterschiedlichen Stippvisiten auf eine plausible gemeinsame Linie zu bringen. Manche Stationen ergeben Banalitäten, an anderen wird gravierende Not spürbar, die den thematischen Rahmen des Films sprengt: so auch in Glasgow, wo es um die Perspektivlosigkeit arbeitsloser Jugendlicher geht.

Was bin ich wert?

In der Mitte des Lebens kann es leicht passieren, dass man sich plötzlich weniger wert vorkommt. So geht es auch dem Filmemacher Peter Scharf („Oliviero Toscani — Bilderwut“), der mit 47 Jahren feststellt, dass er rentenmäßig unterversichert ist und den auch noch ein Fußleiden plagt. Scharf will also erfahren, wie viel er wert ist, in Geld ausgedrückt. Er spricht mit Ökonomen und Juristen über Berechnungsmodelle, wie sie zum Beispiel zur Festsetzung von Entschädigungen oder Schmerzensgeld dienen.
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