Wagner and Me

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Der zweifelnde Wagnerianer

Kann ein Kunstwerk unabhängig von seinem Künstler existieren bzw. welchen Einfluss hat die Persönlichkeit des Erschaffers auf die Qualität seines Werkes? Dies sind die Fragen von Stephen Fry, wenn er sich in Wagner & Me auf die Spuren von Richard Wagner begibt. Obwohl er aus einer jüdischen Familie stammt und Angehörige durch den Holocaust verloren hat, ist der Schauspieler seit Kindertagen ein Verehrer der Musik des Komponisten. Doch während seiner Reise nach Bayreuth kommen ihm Zweifel: Soll er die Festspiele wirklich besuchen? Kann er es mit sich vereinbaren diesem Spektakel beizuwohnen, das noch vor 60 Jahren als Bühne für nationalsozialistische Propaganda diente?
Regisseur und Kameramann Patrick McGrady hat Stephen Frey auf seiner Reise begleitet, die ihn nicht nur nach Bayreuth, sondern auch an andere Stationen des Lebens und Wirkens von Richard Wagner geführt hat. An all diesen Orten interviewt Frey Historiker, Musiker und sogar Zeitzeugen des Holocausts und spricht mit ihnen über die Person Wagner, seine Werke, aber auch über seine antisemitischen Schriften und die Bedeutung seiner Opern im Dritten Reich. Dabei ist die Biographie des Komponisten nicht der einzige rote Faden; die Dramaturgie folgt keiner rein chronologischen Struktur. Stattdessen wird diese immer wieder durch assoziative Zeitsprünge durchbrochen, was es auch dem fachfremden Zuschauer erleichtert, das Interesse am Gezeigten nicht zu verlieren.

Stephen Fry begibt sich mit kindlicher Freude in dieses Projekt. Was zunächst aufgesetzt wirkt, entpuppt sich als aufrichtige Begeisterung, die auf das Publikum überspringt und für breites Schmunzeln sorgt. Doch Freude ist nicht das einzige Gefühl, das der Protagonist dieses Dokumentarfilms vermittelt. Es plagen ihn auch aufrichtige Zweifel daran, inwiefern Wagners Musik für sich stehen und unabhängig von den gesellschaftspolitischen Äußerungen des Künstlers gelobt werden kann. Fry wirkt auch in diesen Sequenzen sehr authentisch, seine Skrupel in Anbetracht seines Festivalbesuches sind glaubwürdig. Es ist eben diese persönliche Note, die Wagner & Me neben der dokumentarischen eine weitere Ebene verleiht. Indem Stephen Fry seinen eigenen inneren Konflikt mit den Zuschauern teilt, ist der Aufruf zur eigenen Reflexion weitaus stärker als ein rein informativer Film dies bewirken könnte.

Ein wenig Pathos bleibt natürlich nicht aus. Wo Wagners Musik im Hintergrund erklingt, kann eine gewisse Dramatisierung der Bilder nicht verhindert werden. Doch Patrick McGrady weiß die Glorifizierung der Figur Wagner zu verhindern. Nicht nur, dass er durch seinen Protagonisten immer auch eine zweifelnde Stimme integriert, er entmystifiziert auch die Festspiele, in dem er in kurzen Einstellungen Musiker zeigt, die während der Probe heimlich Tetris auf ihrem Handy spielen oder das Sudoku-Heft zwischen den Notenseiten verstecken. Mit diesen Mitteln gelingt es ihm, die von Stephen Fry gestellt Frage nach dem Umgang mit Wagners Werk ehrlich ans Publikum abzugeben, statt sie mit seiner Inszenierung selbst zu beantworten.

Wagner & Me ist eine gelungene Dokumentation, deren Thematik einen Diskurs über die Beziehung zwischen Künstler und Werk eröffnet, diesen aber nicht im abstrakten Raum belässt, sondern eine persönliche Geschichte in den Mittelpunkt rückt. Das macht den Film nicht nur für Fans und Feinde von Richard Wagner interessant, sondern auch für Zuschauer, denen Werke wie Die Meistersinger oder Der Ring des Nibelungen bislang weitgehend unbekannt waren. Auch wenn eine fünfstündige Oper wohl dem Gros des Kinopublikums zu anstrengend anmutet, schafft es Wagner & Me zumindest das Interesse dafür zu wecken, sich die Musik von Richard Wagner noch einmal genauer anzuhören.

Wagner and Me

Kann ein Kunstwerk unabhängig von seinem Künstler existieren bzw. welchen Einfluss hat die Persönlichkeit des Erschaffers auf die Qualität seines Werkes? Dies sind die Fragen von Stephen Fry, wenn er sich in „Wagner & Me“ auf die Spuren von Richard Wagner begibt. Obwohl er aus einer jüdischen Familie stammt und Angehörige durch den Holocaust verloren hat, ist der Schauspieler seit Kindertagen ein Verehrer der Musik des Komponisten.
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Meinungen

renate schreck · 08.07.2012

hervorragend,emphatisch,einmalig schön,grossen dank und herzliche umarmung für herrn fry