Vor ihren Augen

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Zahnloses Remake

Hollywood bedient sich gern am ausländischen Kino. Packende Thriller mit überraschenden Wendungen und nicht selten einem niederschmetternden Ende sind dabei bevorzugte Beute der amerikanischen Filmemacher. Sie sind dann von diesen Filmen so beeindruckt, dass sie ihren Landsleuten dasselbe Gefühl bescheren wollen. Nur findet auf dem Weg vom Original zum Remake eine Weichspülung statt, die alles entfernt, was den Ur-Film so faszinierend gemacht hat. So ergeht es auch Vor ihren Augen.
Vor 13 Jahren wurde die Tochter einer Kollegin ermordet. Damals war sich Ray (Chiwetel Ejiofor) sicher, den Täter zu haben, aber da dieser ein wichtiger Informant in Sachen Terrorabwehr war, wurde eine schützende Hand über ihn gelegt. Danach verschwand er. Seitdem sucht Ray nach dem Mann und glaubt nun, ihn gefunden zu haben. Doch um ihn zur Rechenschaft zu ziehen, benötigt er die Hilfe seiner alten Kollegen, die nicht sicher sind, ob Ray in seiner Obsession nicht einen Unschuldigen verfolgt.

Die argentinisch-spanische Ko-Produktion In ihren Augen sorgte 2009 für Furore und wurde mit dem Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film ausgezeichnet. Das amerikanische Remake gerät nun nicht in die Verlegenheit, Preise einheimsen zu müssen. Dafür ist diese Neuinterpretation viel zu zahnlos geraten. Autor und Regisseur Billy Ray versuchte, sich vom Original abzusetzen, indem er seiner eigenen Kreativität freien Lauf ließ. Was er neu zur Geschichte hinzuerfindet, hält aber nicht dem stand, was schon da war. Er verwässert die Geschichte nur – auf eine derart banale Art und Weise, dass man nicht umhinkann, die große Überraschung am Ende meilenweit gegen den Wind riechen zu können. Selbst wenn man das Original nicht kennt, hält das Finale von Vor ihren Augen keinerlei Überraschung bereit.

Dabei ist Vor ihren Augen nicht wirklich schlecht, er ist nur schlechter, als er sein müsste. Ray erzählt solide und kann sich auf ein namhaftes und gutes Ensemble verlassen. Bei der Erörterung der Frage, welchen Preis man für die Rache bezahlen muss, kann er sogar punkten. Das ist ein Element, das ruhig ausführlicher hätte ausgearbeitet werden dürfen, ist es doch der emotionale und moralische Kern der Geschichte. Aber auch hier geht Ray zu sehr den einfachen Weg, indem er postuliert, dass Rache auch immer den Rächenden vernichtet – auf die eine oder andere Weise. Das mag durchaus stimmen, in der Art, wie der Filmemacher seine Erkenntnis hier aber präsentiert, lässt sie Wirkung vermissen. Weil dem Zuschauer nichts gesagt wird, was er nicht selbst längst gewusst hätte.

Was bleibt, ist ein fahles Abbild des Originals, das man ohne Kenntnis desselben zwar ansehen und sich leidlich unterhalten kann, das aber auch unter den eigenen Möglichkeiten zurückbleibt. Ohne die guten Darsteller – Ejiofor, Nicole Kidman und Julia Roberts – hätte Vor ihren Augen wohl gar nicht den Weg in die hiesigen Kinos gefunden.

Vor ihren Augen

Hollywood bedient sich gern am ausländischen Kino. Packende Thriller mit überraschenden Wendungen und nicht selten einem niederschmetternden Ende sind dabei bevorzugte Beute der amerikanischen Filmemacher. Sie sind dann von diesen Filmen so beeindruckt, dass sie ihren Landsleuten dasselbe Gefühl bescheren wollen. Nur findet auf dem Weg vom Original zum Remake eine Weichspülung statt, die alles entfernt, was den Ur-Film so faszinierend gemacht hat. So ergeht es auch „Vor ihren Augen“.
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