Violinissimo

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wettstreit auf vier Saiten

Hannover gilt ja gemeinhin jenseits der Stadtgrenzen als nicht gerade spannende Stadt und hat in den letzten Monaten als Sitz der „Maschsee-Connection“ imagemäßig noch ein paar Prozentpunkte eingebüßt. Was außer ausgewiesenen Kennern klassischer Musik kaum jemand weiß, ist die Tatsache, dass die niedersächsische Landeshauptstadt alle drei Jahre für einige Tage zum Nabel der Musikwelt wird. Denn in diesem Turnus findet mit dem „Joseph Joachim Preis“ der höchstdotierte Violin-Wettbewerb der Welt an der Leine statt und lässt Hannover zum Mekka junger Geiger aus aller Welt werden. Zu gewinnen gibt es insgesamt 140.000 €, dem Gesamtsieger kommen 50.000 € zu, außerdem sind mit dem 1. Platz lukrative und prestigeträchtige Auftritte, CD-Einspielungen und als besonderes Bonbon eine echte Stradivari als dreijährige Leihgabe verbunden. Seit 1991 findet der Wettstreit auf vier Saiten nun schon statt und wird just in diesem Jahr im Oktober wieder über die Bühne gehen – insofern passt der Dokumentarfilm Violinissimo, der drei junge Musiker im Jahr 2009 begleitete, bestens als Vorbereitung auf das Ereignis.
Über den gesamten Wettbewerb heften sich die beiden Filmemacher Stephan Anspichler und Radek Wegrzyn an die Fersen dreier veritabler Wunderkinder, die sich unter den Teilnehmern befinden. Obwohl die drei aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen und aus verschiedenen Ländern stammen, eint sie doch jenseits ihres unbestreitbar gewaltigen Talentes einiges. Zum Beispiel die Aufregung und das Lampenfieber. Aber auch die Erfahrung, dass sie nur so weit kommen konnten, weil sie bereits von frühester Kindheit an unermüdlich übten. Ein Wunderkind zu sein bedeutet vor allem eines – unendlich viel Disziplin und die Bereitschaft, für diese Leidenschaft nahezu alles zu opfern, was eine „normale“ Kindheit ausmacht.

Clara-Jumi Kang beispielsweise begann bereits im Alter von drei Jahren mit dem Geigen- und Klavierunterricht und zeigte dabei solch eine außergewöhnliche Begabung, dass sie bereits ein Jahr später an der Musikhochschule Mannheim als jüngste Schülerin aller Zeiten aufgenommen wurde. Auch Itamar Zorman aus Tel Aviv ist wohl das, was man früher als Wunderkind bezeichnet hat – 1985 als Sohn einer Musikerfamilie geboren, besuchte er bereits mit sechs Jahren das Konservatorium seiner Geburtsstadt und startete mit diesem Hintergrund eine außergewöhnliche Karriere. Im Alter von vier Jahren begann die dritte Protagonistin Solenne Païdassi mit dem Geigenspiel und war mit zehn Jahren bereits Solistin im Sinfonietta-Orchester Nizza bei einem Festival.

Aufgrund seines Themas könnte man sich diesen Film durchaus auch im Fernsehen vorstellen, wo Violinissimo sicherlich eines Tages zu sehen sein wird. Der Wechsel aus Interviewsequenzen und den Aufnahmen während des Vorspieles, die durch Impressionen der Stadt Hannover und diverser anderer Handlungsorte aufgelockert werden, ist zwar durchaus gelungen, doch der Wettbewerb als verbindendes Element, als roter Faden tritt im Verlauf der 82 Minuten Laufzeit so sehr in den Hintergrund, dass man nicht erfährt, wer den Wettstreit auf vier Saiten eigentlich gewonnen hat. Aber das ist eben das Risiko bei solch einem dramaturgischen Konstrukt, das sich von vornherein auf drei Protagonisten festlegt, von denen man nicht wissen kann, wie weit sie kommen. Mit Clara, die den 2. und Solenne, die den 4. Platz erringt, beweisen Stephan Anspichler und Radek Wegrzyn aber ein gutes Gespür und erheblichen musikalischen Sachverstand.

Ganz abgesehen davon, dass es bei ihnen weniger um den Wettbewerbsgedanken (und damit verbunden um den Sieger) geht, vielmehr fungiert der Druck, der auf allen Teilnehmern lastet, vor allem als Katalysator für die vielen Geschichten und Gedanken zum Thema Musik. Und davon wissen diese drei jungen Musiker eine ganze Menge zu erzählen – im Guten wie im Schlechten.

Klar, dass Violinissimo in erster Linie Fans von klassischer Musik anspricht. Die aber kommen bei dem Film auch aufgrund des Wohlklangs voll auf ihre Kosten. Trotz einiger Statements, die sich auch auf andere Formen des medialen oder gesellschaftlichen Wettbewerbs ummünzen lassen, verlässt der Filme aber kaum das enge Umfeld der Klassik und bietet dadurch im Vergleich zu anderen, ähnlich gelagerten Filmen wie Pianomania (der ja auch ein Film über Besessenheit ist) weniger Anknüpfungspunkte für Zuschauer, die sonst eine eher geringe Affinität zur Klassik im Allgemeinen und zur Violine im Besonderen haben.

Violinissimo

Hannover gilt ja gemeinhin jenseits der Stadtgrenzen als nicht gerade spannende Stadt und hat in den letzten Monaten als Sitz der „Maschsee-Connection“ imagemäßig noch ein paar Prozentpunkte eingebüßt. Was außer ausgewiesenen Kennern klassischer Musik kaum jemand weiß, ist die Tatsache, dass die niedersächsische Landeshauptstadt alle drei Jahre für einige Tage zum Nabel der Musikwelt wird.
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