Violently Happy

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wenn Schmerzen glücklich machen

Felix Ruckert tanzte bei Wanda Golonka, Mathilde Monnier und Pina Bausch. Nicht zuletzt weil er mit seinen Choreografien im Kunstbetrieb aneckte, eröffnete er 2007 in Berlin die „Schwelle 7“, um seine Vorstellungen von Sexualität und Schmerz an einem geschützten Ort umzusetzen. Regisseurin und Kamerafrau Paola Calvo hat ihn dort besucht und den Dokumentarfilm Violently Happy daraus gemacht.
Spätestens seit E.L. James‘ Romantrilogie Shades of Grey und deren Verfilmungen ist BDSM, das lustvolle Spiel mit Dominanz und Unterwerfung, im Mainstream angekommen. Mit der Realität der meisten Leser und Zuschauer hat dieser leicht konsumierbare Hausfrauenkitsch freilich ebenso wenig zu tun wie mit der tatsächlichen BDSM-Szene, die immer noch gegen Vorurteile ankämpft. Wie befreiend das Ausagieren sexueller Fantasien und das Erproben diverser Machtstrukturen aussehen kann, zeigt Paola Calvo in Violently Happy. Calvos Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakadmie Berlin (dffb) begleitet Felix Ruckert und dessen Vertraute, die der Tänzer und Choreograf in der Berliner „Schwelle 7 “ um sich versammelt hat.

Die „Schwelle 7“ ist ein großer Raum in einer ehemaligen Fabriketage. Ruckert lebt und arbeitet dort, nicht allein, sondern mit einer wechselnden Anzahl Gleichgesinnter, für die die 500 Quadratmeter gleichzeitig Schutzort und Freiraum bedeuten. Hier geben sie Workshops und Performances, setzen ihre Körper Schmerzen aus oder üben Sexualpraktiken ein, mal zu zweit, mal in der Gruppe, sind mal unbeteiligter Zuschauer, mal aktiver Teilnehmer. Die Gruppe ist international, lebt und liebt kreuz und quer. Man spricht auch Deutsch, aber vorwiegend Englisch.

Womit es das Kinopublikum hier zu tun hat, ja selbst wie dieser Ort heißt, erschließt sich erst nach und nach. Die in Caracas geborene Paola Calvo, die nach einem Universitätsabschluss in Madrid seit 2006 an der dffb Kamera studiert, verzichtet in Violently Happy auf jedwede Einordnung. Die Gespräche zwischen den Protagonisten, die nicht selten im Liegen geführt werden, und Felix Ruckerts Gedanken, die Calvo als Voice-over über ihre Bilder legt, müssen genügen. Hier kristallisieren sich dann auch komplexe Beziehungsgeflechte heraus: eine rein freundschaftliche zwischen Ruckert und Mara Morgen, die sich selbst als „Sexarbeiterin“ bezeichnet, aber auch intime, die Ruckert mit der Choreografin Christine Borch und der Psychologin Jana Scherle führt. Ruckert und Morgen bilden jedoch das eigentliche Zentrum des Films.

Calvo kommt den Akteuren dabei erstaunlich nahe. Trotz aller Explizitheit, mit der sie ihr Publikum konfrontiert – immerhin hat dieser Dokumentarfilm nicht ohne Grund erst eine Freigabe ab 18 Jahren erhalten –, ist Violently Happy nie voyeuristisch. Nicht nur, weil Calvo weit von jeglicher Porno-Ästhetik entfernt ist, sondern auch, weil sie die Menschen hinter den Körpern, deren Begierden und (Selbst-)Reflexionen zeigt. Dabei ist Calvos Film keineswegs nur für Kenner der Szene. Ruckerts Ansichten zur Verbindung von Kunst, Schmerz und Gewalt und Morgens kluge Antwort auf Kritik von feministischer Seite sind für jedes Publikum erhellend. Gern hätte man allerdings etwas mehr von ihnen erfahren, wie und warum sie zum BDSM gekommen sind. Hier bleibt der Dokumentarfilm in etwa so unscharf wie Calvos Kamera, wenn sie in Nahaufnahmen zwischen den Protagonisten hin und herwechselt. Das Ende kommt ebenso unvermittelt wie der Einstieg und entlässt das Publikum mit einem lustvollen Stöhnen.

Violently Happy

Felix Ruckert tanzte bei Wanda Golonka, Mathilde Monnier und Pina Bausch. Nicht zuletzt weil er mit seinen Choreografien im Kunstbetrieb aneckte, eröffnete er 2007 in Berlin die „Schwelle 7“, um seine Vorstellungen von Sexualität und Schmerz an einem geschützten Ort umzusetzen. Regisseurin und Kamerafrau Paola Calvo hat ihn dort besucht und den Dokumentarfilm „Violently Happy“ daraus gemacht.
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