Versprich es mir!

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Eine Ikone, ein Souvenir und eine Braut

Mit Versprechen ist das so eine Sache: Galten sie auch einst als feierliche Prunkstücke innerhalb des zwischenmenschlichen Ehrenkodex, sind sie in modernen Zeiten nur allzu häufig zu Lippenbekenntnissen verkommen. A promise is a comfort to a fool – diese alte englische Weisheit enthält bereits eine Absage an jegliches Pathos, doch mitunter gibt es noch Versprechen, deren auch noch so absurd und unwahrscheinlich erscheinende Erfüllung mit geradezu rührender Hartnäckigkeit verfolgt wird – koste es, was es wolle. Ein derartiges Versprechen bestimmt die Handlung der urkomischen, deftigen und satirischen Komödie Versprich es mir! / Zavet von Emir Kusturica, die 2007 bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt wurde und nun erstmals in Deutschland auf DVD zu sehen ist.
Der heranwachsende Tsane (Uroš Milovanović) lebt mit seinem kauzigen Großvater (Aleksandar Berček) in dem urigen, völlig abgeschiedenen Universum auf den Hügeln jenseits eines kleinen serbischen Dorfes, das aus alltäglichen erfinderischen Mechanismen und Kuriositäten besteht, mit denen sich die beiden – ausgelassenen Lausbuben gleich – die verschwenderisch vorhandene Zeit bereichern. Als auch noch die Dorfschule geschlossen wird, dessen einziger Schüler Tsane war, der sozusagen Privatunterricht von der äußerst erotischen Lehrerin Bosa (Ljiljana Blagojević) erhielt, die mit Stöckelschuhen durch die steinige Landschaft starkst und auch schon mal ausführlich von ihrem Schüler beim wonnigen, freizügigen Baden beobachtet wird, hält es der fürsorgliche Opa nach einem harten Sturz vom Dach für an der Zeit, die Zukunft seines Enkels zu sichern, zumal er wieder einmal das vertraute Gefühl hat, bald das Zeitliche segnen zu müssen.

So schickt er den klugen, aber noch reichlich jungen und unerfahrenen Tsane mit der Kuh Cvetka, die so etwas wie das dritte Haus- und Hofmitglied darstellt, in die Stadt, auf dass er sie verkaufe und den Erlös in eine Ikone des Heiligen Nikolaus investiere und darüber hinaus für einen ganz persönlichen Wunsch, etwa ein Souvenir verwende – zur Not auch, um sich eine Frau zu kaufen, denn der Alte nimmt seinem gerade einmal jugendlichen Enkel das Versprechen ab, eine geeignete Partnerin für sein künftiges Leben zu finden. Und dieses Versprechen nimmt Tsane sehr ernst, was ihn in heftige Turbulenzen mit äußerst zwielichtigen und ungnädigen Gestalten stürzt, die sich bald an seine Fersen heften. Doch Tsane ist zäh und trickreich, so dass es ihm gelingt, mit einer ansehnlichen Braut die Stadt zu verlassen …

Von Anfang an bis zum furiosen Schluss ist Versprich es mir! von einer schrägen, mitreißenden Musik beseelt, die dem Zuschauer ebenso viel Vergnügen bereitet wie den Protagonisten und von Stribor Kusturica stammt, dem Sohn des kultigen, serbisch-französischen Filmemachers (Zeit der Zigeuner / Dom za vešanje, 1988, Schwarze Katze, weißer Kater / Black Cat, White Cat, 1998, Das Leben ist ein Wunder / Život je čudo, 2004), der auch in einer Nebenrolle zu sehen ist. Während zu Beginn des Films der Fokus eher auf aber-witzigen Details wie dem mit einfachen, doch raffinierten Techniken absolut abgefahren gestalteten Haus auf den Hügeln liegt, in dem das Ausschalten des Weckers dazu führt, dass der Erwachte aus dem Bett katapultiert wird und ein ganzes Beobachtungssystem die Intimitäten der einzigen Nachbarin ausspioniert, gewinnt die Dramaturgie mit dem Schauplatz der Stadt an heftiger Rasanz, um diese schließlich in die ländliche Region und ein grandioses Finale zu transportieren. Eine kraftvoll und dynamisch aufspielende Schauspieler-Riege, wie bei Emir Kusturica üblich, überzeichnet derart charmant und schamlos die Milieu-Charaktere, dass bei Zeiten gar keine explizite Handlung nötig wäre, um dieses Spektakel genussvoll zu konsumieren.

Eines allerdings ist höchst bedauerlich: Die geballten verbalen Obszönitäten sowie die Gangster- und Hurenatmosphäre, die dem Film seine derbe Köstlichkeit verleihen, verhindern, dass er sich für Kinderaugen und –ohren eignet, obwohl er bereits ab zwölf Jahren freigegeben ist. In einer „bereinigten“ Version mit einer leicht modifizierten Geschichte wäre Versprich es mir! mit seiner explosiven Komik mit Sicherheit ein wundervoller Kinderfilm.

Versprich es mir!

Mit Versprechen ist das so eine Sache: Galten sie auch einst als feierliche Prunkstücke innerhalb des zwischenmenschlichen Ehrenkodex, sind sie in modernen Zeiten nur allzu häufig zu Lippenbekenntnissen verkommen.
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