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Drei junge Frauen bieten sich in Rumänien am Straßenrand an. Doch ihr unternehmerischer Geist garantiert nicht automatisch eine bessere Teilhabe an der Konsumgesellschaft.

Vânâtoare (2016)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Luxus ist ... ein Kaffee und eine Zigarette

Der Filmtitel des rumänischen Dramas Vânӑtoare heißt ins Deutsche übersetzt „Die Jagd“. Aber es handelt von drei jungen Frauen aus dem provinziellen Umland von Bukarest, die sich prostituieren. Der Tag in ihrem Leben, auf den sich der Film beschränkt, ist geprägt von Tristesse und abenteuerlichen Prüfungen. Innerlich verhärtet, wirken die Protagonistinnen aber nicht resigniert, sondern von rebellischer Hoffnung getragen. Der Begriff der Jagd richtet den Blick zurück auf die Gesellschaft, in der die Menschen vom Wunsch nach mehr Geld und Konsum in die Vereinzelung getrieben werden. Ein ausdrucksstarkes Bild liefert schon der anonyme Standort, den sich Lidia (Corina Moise), Denisa (Iulia Lumânare) und Vanesa (Iulia Ciochină) für das Warten auf Kundschaft ausgesucht haben. Er befindet sich unter einer Brücke an einer vielbefahrenen Ausfallstraße.

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Die Kamera heftet sich eng an die Protagonistinnen und zeigt die kaum definierbare, semi-urbane Peripherie nur bruchstückhaft. Es gibt einen Kfz-Betrieb und in einer Baracke eine Bar mit Glücksspielautomaten. Für die Frauen läuft das Geschäft ausgesprochen schlecht. Unablässig fahren die Pkws und Laster unter der Brücke hindurch, als seien ihre Insassen auf der Jagd nach lohnenderen Zielen, vielleicht dem beruflichen Erfolg, dem schönen Zuhause, der kostbaren Zeit.

Lidia, Denisa und Vanesa betrachten die Prostitution als Gelegenheitsjob oder provisorische Tätigkeit, weil sie Geld brauchen. Die Männer in ihrem Privatleben bleiben entweder unsichtbar oder passiv, lassen sich nicht in die Verantwortung nehmen. Lidia wohnt mit einem Mann zusammen, der nur kurz ins Bild kommt und nichts sagt. Sie hat zwei Kinder und will nicht, dass sich in der Schule des Sohnes herumspricht, was sie tut. Im Bus, der sie aus der Siedlung hinausfährt, trifft sie ihre Freundin Denisa. Unter der Straßenbrücke ziehen sie sich um und verstecken ihre Sachen im Gebüsch.

Denisa erzählt von ihrem Freund, der kein Geld nach Hause bringt und dem sie neue Turnschuhe kaufen will. Und dann steht da noch Vanesa, die Neue, die von Lidia als unliebsame Konkurrentin betrachtet wird. Aber Vanesa, die so fragil wirkt, ist hartnäckig. Sie sucht per Anzeige einen Lebensgefährten, mit dem sie zusammenziehen will, aber er muss unbedingt grüne oder braune Augen haben. Kindliche Träume, ein verwegener Unternehmergeist und die illusionsfreie Härte dieser Frauen schließen sich gegenseitig nicht aus. Die Selbstsicherheit, die sie im Dialog behaupten, kann in der Realität aber nirgends richtig andocken. Am ehesten erleben die Frauen, dass sie partizipieren und sich etwas leisten können, wenn sie das Warten mit einem Kaffee oder ein paar Zigaretten verkürzen.

Die Regisseurin Alexandra Bolteanu hat für ihr Langfilmdebüt recherchiert, indem sie Mitarbeiter einer Organisation, die sich um Sexarbeiterinnen in und um Bukarest kümmert, zu ihren Außeneinsätzen begleitete. An den großen Ringstraßen lernte sie Frauen kennen, die auf dem Land in Armut aufgewachsen sind. Das fiktive, aber sehr authentisch gezeichnete filmische Frauentrio steht in der gesellschaftlichen Hackordnung ganz unten. Ein Konflikt mit zwei Polizisten auf Streife eskaliert. Die Polizisten wollen den Frauen das Geld abknöpfen, berufen sich auf das Gesetz, die Frauen bezichtigen die Männer, sich an ihnen bereichern zu wollen.

Sowohl die visuelle Gestaltung mit der verengten Perspektive als auch die vage Skizzierung des privaten Umfelds der Frauen betonen deren Orientierungslosigkeit. Lidia, Denisa und Vanesa sind auf sich allein gestellt, geben sich gegenseitig aber einen gewissen Halt. Mit seinem sozialkritischen Realismus fügt sich Bolteanus Drama einerseits gut in Stil und Thematik des neuen rumänischen Films ein. Andererseits aber schleicht sich auch ein sozialromantischer Ton ein. Denn das innere Erleben der Frauen wird zwar nicht richtig greifbar, aber in ihre Verschlossenheit interpretiert der Film eine kühne Widerstandskraft hinein. Zugleich bekommt das Geschehen fatalistische Züge, sodass der Eindruck entsteht, dass das Drehbuch den Spielraum der drei Frauencharaktere etwas zu sehr einschränkt. Welche Erkenntnis nehmen sie am Ende des Tages mit, wie verarbeiten sie das Erlebte? Das bleibt ihr Geheimnis, sie verharren vor der Kamera in stummer Passivität.
 

Vânâtoare (2016)

Der Filmtitel des rumänischen Dramas „Vânӑtoare“ heißt ins Deutsche übersetzt „Die Jagd“. Aber es handelt von drei jungen Frauen aus dem provinziellen Umland von Bukarest, die sich prostituieren. Der Tag in ihrem Leben, auf den sich der Film beschränkt, ist geprägt von Tristesse und abenteuerlichen Prüfungen. Innerlich verhärtet, wirken die Protagonistinnen aber nicht resigniert, sondern von rebellischer Hoffnung getragen.

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