Unter Dir die Stadt

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Aufruhr und Gefühle

Schon Christian Petzold hatte in Yella die Faszination der Geschäftswelt für sich entdeckt und vor diesem Hintergrund eine Beziehung nachgezeichnet, die aus den extremen Gegensätzen zwischen den Leidenschaften der Liebe und der Emotionslosigkeit der Geschäftswelt ihr Kapital schlug. Christoph Hochhäusler, der ebenfalls wie Petzold dem Umfeld der Berliner Schule zugerechnet wird, schlägt mit seinem neuen Film Unter dir die Stadt eine ähnliche Richtung ein und kommt doch zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen. Und die sind leider nur teilweise überzeugend.
Der Film erzählt von die Geschichte von Svenja Steve (Nicolette Krebitz), die mit ihrem Mann Oliver (Mark Waschke), der vor kurzem zu einer Bank nach Frankfurt gewechselt ist und sich dort vor allem um dem Bereich Mergers & Acquistions kümmert. Durch einen Zufall lernt sie Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler), den Chef ihres Mannes kennen und beginnt mit dem wesentlich älteren Mann eine Affäre, die diesen schließlich dazu veranlasst, den Gatten der Geliebten auf einen gefährlichen Posten nach Indonesien abzuschieben, wo Olivers Vorgänger bereits gekidnappt und getötet wurde. Während es anfangs anscheinend bei der Liaison nur darum geht, Oliver von dem Himmelfahrtskommando zu erlösen, verselbständigt sich die Affäre immer mehr und nimmt zunehmend selbstzerstörerische Züge an.

Durchaus absichtsvoll irritierend ist der Schluss des unterkühlten Dramas geraten: Als Svenja nach dem Liebesakt aus dem Fenster schaut, hören wir Schreie auf der Straße und sehen Menschen vor einer nicht näher definierten Bedrohung fliehen. „Es geht los“, meint Svenja – und damit ist der Film auch schon zu Ende.

Trotz zum Teil sehr sehenswerter Bilder, die immer wieder Spielungen, verzerrte Einblick und die Glasfassaden der Bankentürme von Mainhattan auf faszinierende Weise thematisieren, fällt es schwer, mit diesem Film warm zu werden. Wie wir es von der Berliner Schule gewohnt sind, herrscht trotz der großen Emotionen und Leidenschaften, von denen Hochhäusler erzählt, eine allumfassende und bedrückende Eiseskälte und Ungerührtheit vor, werden die Beweggründe der Akteure niemals auch nur andeutungsweise erklärt, sondern taxierend allenfalls registriert, so dass wir nicht die geringste Ahnung davon bekommen, was Svenja, an dem zwar erfolgreichen, aber zugleich zwielichtigen Bankier Cordes findet. Ist es sein Geld, sein Ruhm, sein Charisma oder sind es die Lügen, die er über seine Vergangenheit erzählt? Wie aufrichtig ist die Verbindung zwischen den beiden? Oder suchen sie beiden nur die Auflösung und die Selbstzerstörung in einer „amour fou“, die keine Gründe und keine Begründung kennt? Und sind die Turbulenzen, in die Cordes gerät, nicht vielleicht schon Vorboten einer tiefergehenden finanziellen und gesellschaftlichen Krise, die letzten Endes in Unruhen und Aufständen gegen ein marodes gesellschaftliches System mündet? Ist die Uferlosigkeit und Irrationalität der Liebe vielleicht sogar der letzte Ausweg aus der derzeitigen Situation der Verunsicherung und der erodierenden Werte?

All dies kann man durchaus andeutungsweise in Unter dir die Stadt finden, doch wirklich dramaturgisch zwingend ist dies alles nicht geraten. Eines hat er aber mit seinem Film sicher erreicht – er hat ein Zeitbild geschaffen, an dem man einiges zu knacken hat. Und das Ergebnis dieses Nachdenkprozesses steht keinesfalls fest.

Unter Dir die Stadt

Schon Christian Petzold hatte in „Yella“ die Faszination der Geschäftswelt für sich entdeckt und vor diesem Hintergrund eine Beziehung nachgezeichnet, die aus den extremen Gegensätzen zwischen den Leidenschaften der Liebe und der Emotionslosigkeit der Geschäftswelt ihr Kapital schlug.
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Meinungen

Nalik · 05.04.2011

Ich fand den Film auch sehr gut. Genauso geht es in der Geschäftswelt tatsächlich zu. Ich hatte das Gefühl, das könnten auch Vorstände in unserem Unternehmen sein und die Geschichte sich genau so abspielen.

Jan · 01.04.2011

Grandioser Film. Ich hatte schlechte Kritiken gelesen und bin trotzdem reingegangen. Wirklich unverständlich warum die Szenen als künstlich wahrgenommen werden. Ich fand die Geschichte spannend, die Figuren extrem interessant und bin ganz begeistert aus dem Kino gekommen.