Unter dem Sand (2015)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Nach dem Krieg

Dänemark 1945. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, nach fünf Jahren werden die verhassten deutschen Besatzer aus dem Land gejagt. Sergeant Rasmussen (Roland Møller) macht aus seiner Abscheu ihnen gegenüber keinen Hehl. Als er sieht, dass ein abmarschierender deutscher Soldat die dänische Flagge in der Hand hält, brüllt er ihn an und schlägt ihn zusammen. Doch auf Rasmussen und deutsche Soldaten wartet noch eine andere Aufgabe: Sie müssen die 1,5 Millionen Landminen entschärfen, die die deutschen Truppen in Erwartung einer möglichen Landung der Alliierten an der dänischen Westküste vergraben haben, sie liegen Unter dem Sand.

Rasmussen wird einen Trupp beaufsichtigen, der in einem Abschnitt 45.000 Landminen entschärfen muss. Die Soldaten haben kaum Erfahrung mit dieser Arbeit, die so gefährlich ist, dass manche schon bei der Ausbildung durch Lieutenant Ebbe (Mikkel Bo Følsgaard) durch Explosionen sterben. Die Überlebenden werden Rasmussen zugeteilt. Fortan wird jeder von ihnen in absteckten Flächen am Strand auf dem Boden liegend langsam voran robben, die Minen suchen und jeden Tag mindestens sechs entschärfen. Dann können sie – laut Rasmussen – in drei Monaten nach Hause. Solange leben sie in einer Holzhütte hinter den Dünen, ihr gegenüber liegt ein größeres Haus, in dem eine Frau (Laura Bro) mit ihrer Tochter (Zoe Zandvliet) wohnt. Weder die Frau noch Rasmussen sind den Deutschen freundlich gesinnt, einzig die Tochter ist zu jung um zu verstehen, warum sie sie hassen sollte. Und auch Rasmussen schwankt in seiner Haltung. Denn niemand hat ihm vorher gesagt, dass sein Trupp aus jugendlichen Soldaten besteht, von denen keiner älter als 20 Jahre erscheint.

Die eingeblendeten Texttafeln am Anfang und Ende von Martin Pieter Zandvliets Unter dem Sand könnten den Eindruck erwecken, dass es sich hierbei um einen politischen Film handelt, der sich mit der Situation von Kriegsgefangenen beschäftigt. Tatsächlich hätten sich das Thema des Films und seine Konstellation dafür auch geeignet, Unter dem Sand konzentriert sich aber auf das Verhältnis zwischen Gefangenen und Bewacher, zwischen Jugendlichen und einer Autoritätsperson. Anfangs obsiegt bei Rasmussen der Hass: Er ignoriert, dass sie Hunger haben und bei der Entschärfung sterben könnten, er fordert Disziplin und sperrt sie abends in ihrer Hütte hinter der Düne ein. Jedoch kann er immer weniger darüber hinwegsehen, dass es sich bei den Soldaten um junge Menschen handelt, fast noch Kinder, die einfach nach Hause wollen. Leider folgt der Film dann schematisch einer vorhersehbaren dramatischen Entwicklung: Es kommt zu Konflikten zwischen den jungen Soldaten, einige sterben, andere verzweifeln, dritte erweisen sich als starke Anführer. Durch die Unfälle verändert sich das Verhältnis zwischen Rasmussen und den Jugendlichen, dann kommt es zu einem zu erwarteten Zwischenfall, der zu einem Rückfall führt, ehe die erlösende Wende erfolgt. Dabei widerstehen Drehbuch und Regie von Zandvliet zwar der Versuchung, diese Unfälle allzu exploitativ auszuschlachten, jedoch fehlt bisweilen das Gefühl für die Länge der Einstellungen. Nur weil das Entschärfen einer Mine länger gezeigt wird und mit einem sich wiederholenden enervierenden musikalischen Motiv unterlegt ist, wird es nicht spannender. Weitaus interessanter erscheint der Gegensatz zwischen der friedlich-rauen Strandküste und der tödlichen Aufgabe, der von Kamerafrau Camilla Hjelm Knudsen in scheinbar harmlose Bilder gefasst wird.

Darüber hinaus überzeugt auch Roland Møller als Rasmussen. Bisher insbesondere als Gangster in den Filmen R — Gnadenlos hinter Gittern und Nordvest bekannt, vollzieht er eine glaubwürdige Entwicklung vom hartgesottenen Deutschenhasser zum väterlichen Mentor. Rasmussen ist ein Soldat, der nach dem Krieg seine Empathie wiederfinden muss, indem er daran erinnert wird, dass auch die Deutschen Menschen sind. Hier hätte der Film die Gelegenheit gehabt, eine größere Geschichte von der Situation nach dem Krieg zu erzählen, von dem Hass, von Verantwortung und Schuld, von Vergeben und Vergessen. Jedoch bleibt dafür Rasmussens Gegenspieler Ebbe – von Mikkel Boe Følsgaard mit stoisch-kalter Miene gespielt – zu blass und eindimensional mit seiner Betonung, dass es besser sei, die Deutschen sterben bei dieser Tätigkeit als die Dänen. Dadurch wird die mehrheitliche Haltung der Dänen auf eindimensionale Figuren beschränkt, obwohl sie doch unmittelbar nach dem Krieg allzu gute Gründe hatten, die Deutschen zu hassen. Und durch eine größere erzählerische Ökonomie hätten Zandvliet diese Differenzierungen und Kontextualisierung in seinem Film vornehmen können. So bleibt Unter dem Sand in erster Linie ein schön fotografierter Nachkriegsfilm mit guten Schauspielern.
 

Unter dem Sand (2015)

Dänemark 1945. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, nach fünf Jahren werden die verhassten deutschen Besatzer aus dem Land gejagt. Sergeant Rasmussen (Roland Møller) macht aus seiner Abscheu ihnen gegenüber keinen Hehl. Als er sieht, dass ein abmarschierender deutscher Soldat die dänische Flagge in der Hand hält, brüllt er ihn an und schlägt ihn zusammen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Tobias Bontrup · 14.08.2020

Sie müssen nicht sechs Minen am Tag entschärfen, sondern pro Stunde...