Unser Leben

Eine Filmkritik von Christian Horn

Wunderwelt Wildnis

Was Naturdokumentarfilme im Kinobetrieb angeht, stellt das Team der BBC das Maß der Dinge dar. Die absolut kinotauglichen Aufnahmen aus Deep Blue oder Unsere Erde und der damit einhergehende Erfolg bei Presse und Publikum bahnten dem aktuellen Boom an aufwändigen Tierdokus fürs Kino überhaupt erst den Weg. Mit Unser Leben liefert die BBC nun erneut eine Doku, die mit atemberaubenden Bildern aus der Tierwelt für einen Kinoabend voller Eindrücke sorgt. Hinzu kommt ein informativer Off-Kommentar (Sprecher im Original: Daniel Craig), der nicht zu viel ins Bild redet, sondern die jeweiligen Szenen knapp einordnet und das Geschehen kommentiert, ohne dabei an einen typischerweise sehr gesprächigen Kommentar aus vergleichbaren TV-Dokus zu erinnern.
Die Erzählstruktur des Films besteht aus einer Reihung von kleinen Episoden, die als eine Art „Best Of“ der zehnteiligen BBC-Serie Life – Das Wunder Leben auf alle Erdteile und zu allen möglichen Tierarten führen und so ein Panorama der Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten zeichnen: Von den klassischen Elefanten auf Wassersuche über einen Bau von Grasschneiderameisen bis zu einer fleischfressenden Pflanze ist einiges dabei. Die Episoden beginnen jeweils mit einer Einblendung des Orts und einem Establishing Shot auf die Umgebung, bevor die Montage eine typische Verhaltensweise der vorgestellten Tierart zu einer kleinen Erzählung verdichtet. Beispielsweise stellt das Kapitel über eine Wüstenspringmaus zunächst das raffiniert angelegte „Straßensystem“ rund um den Bau des Nagers vor, bevor die Maus auf der Flucht vor einem Fressfeind in Aktion tritt und ebenjene Straßen clever nutzt, um den Gegner abzuschütteln. Jeweils an die Situation und die Tierart angepasste Orchestermusik dynamisiert das Geschehen zusätzlich: Während die Maus zu trippelnden, hellen Tönen über die Leinwand huscht, erklingen beim Pottwal majestätische, wuchtige Klänge – hier wie da ist die Musikspur jedoch nicht zu aufdringlich, sondern unterstützt die durch die Bank gelungenen Bilder und deren Montage auf passende Art und Weise.

Das zentrale inhaltliche Motiv von Unser Leben ist das Schaffen neuen Lebens. Fast alle Episoden handeln davon, wie die Tiere ihren Nachwuchs beschützen müssen, wie es zur Zeugung beziehungsweise Partnerfindung kommt oder welche Unwägbarkeiten die Tiere auf sich nehmen, um zusätzliches Futter für den Nachwuchs beizuschaffen. Gleich mehrfach beteuert der Off-Kommentar, für die Tiere sei die Familie – sprich: das Zeugen und Durchbringen der Jungtiere – das Wichtigste im Leben. Als „Beleg“ für diese These führt der Film etwa eine Riesenkrake an, die nur einmal im Leben Eier legen kann und daher so lange schützend bei selbigen ausharrt, bis sie wegen Nahrungsmangel und Erschöpfung stirbt. Daneben spielt freilich immer der allgemeine Überlebenskampf in freier Wildbahn eine zentrale Rolle und die unterschiedlichen Strategien der Tiere, widrigen Witterungsverhältnisse zu begegnen oder Futterquellen aufzutun, fließen in fast jeden Abschnitt des Films ein. So nehmen asiatische Gebirgsaffen, die in der Nähe eines Vulkans leben, im strengen Winter ein heißes Thermalbad (das jedoch für die oberste Familie des Stamms reserviert ist) und eine Greifvogelart lässt Knochenstücke aus großer Höhe auf Steine fallen, um an das nährstoffreiche Knochenmark zu gelangen. Besonders in der zweiten Hälfte rückt auch der Motivkomplex Jäger und Gejagte in den Fokus: Hier gibt es etwa Komodowarane, die einen Wasserbüffel vergiften und dann bis zu dessen Kreislaufversagen tagelang um ihn herumschleichen, oder eine junge Bergziege, die einen angreifenden Fuchs bei einer dramatischen Verfolgungsjagd an einem steilen Abhang ganz intuitiv austrickst.

Es ist jedoch nicht der durchaus interessante rein inhaltliche Informationsgehalt, der Unser Leben auszeichnet, sondern in erster Linie die gewohnt grandiosen Kinobilder der verschiedenen BBC-Kamerateams. Mit sinnvoll eingesetzten Ultrazeitlupen (etwa von einer Jesus-Christus-Echse, die ihrem Namen gerecht werdend über Wasser laufen kann), gestochen scharfen Makroaufnahmen von winzigen Tieren, Vogelperspektiven auf Tierherden und sonstigen Landschaftsaufnahmen bleibt die qualitativ hochwertige Doku, die übrigens auch für ein jüngeres Publikum geeignet ist, von Anfang bis Ende ein vorrangig visuelles Erlebnis – und die durch neue Aufnahmetechniken der Gegenwart ermöglichten Bilder allein sind schon einen Kinobesuch wert.

Unser Leben

Was Naturdokumentarfilme im Kinobetrieb angeht, stellt das Team der BBC das Maß der Dinge dar. Die absolut kinotauglichen Aufnahmen aus „Deep Blue“ oder „Unsere Erde“ und der damit einhergehende Erfolg bei Presse und Publikum bahnten dem aktuellen Boom an aufwändigen Tierdokus fürs Kino überhaupt erst den Weg. Mit „Unser Leben“ liefert die BBC nun erneut eine Doku, die mit atemberaubenden Bildern aus der Tierwelt für einen Kinoabend voller Eindrücke sorgt.
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