Transcendence (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Der Gott aus der Maschine

Wie weit sollen wir unsere technischen Möglichkeiten ausreizen? Bis wohin darf der Mensch in seinem Streben nach stetigem Fortschritt gehen? Und was passiert, wenn Maschinen plötzlich ein Bewusstsein entwickeln? Fragen, denen Science-Fiction-Romane und -Filme seit Ewigkeiten nachspüren, die heute allerdings dringender denn je in den Mittelpunkt rücken, da die Technisierung unserer Lebenswelt immer weiter um sich greift. Nicht von ungefähr ist im Kino seit einiger Zeit ein regelrechter Trend auszumachen, was die Durchleuchtung der digitalen Gegenwart betrifft. Ob die Neuinterpretation des Paul-Verhoeven-Klassikers RoboCop, das jüngste Abenteuer von Captain America oder Spike Jonzes romantisches Scifi-Drama Her – das Wesen und die Grenzen der Technik spielen in ganz unterschiedlichen Genre-Konstellationen eine zentrale Rolle. Wally Pfister, vor allem als Stammkameramann von Christopher Nolan bekannt geworden, setzt sich nun mit seinem Regiedebüt Transcendence zwischen alle Stühle, bekommt seine thematisch ansprechende Ausgangsidee aber nie richtig in den Griff.

Dr. Will Caster (manchmal etwas lethargisch: Johnny Depp) und seine Ehefrau Evelyn (Rebecca Hall) forschen seit Jahren auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und haben bereits beachtliche Erfolge erzielt. Lange braucht es nicht mehr, bis ihr neuartiges Computerprogramm, das wie ein Mensch fühlt und selbstständig reflektiert, vollends funktionsfähig ist. Um ihrer Forschung den letzten Schliff geben zu können, wollen sie bei einem Vortrag potenzielle Investoren von der Sinnhaftigkeit ihres Projekts überzeugen. Immerhin glauben beide fest daran, dass ihr Superrechner Krankheiten und Armut besiegen wird. Ganz anders sieht das eine Gruppe von technikfeindlichen Aktivisten, die eine Anschlagsserie plant, um federführenden Wissenschaftlern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Kurz nach seiner Rede wird Will von einer radioaktiv verseuchten Pistolenkugel verwundet, die seine Lebenszeit auf wenige Wochen beschränkt. Evelyn ist tief getroffen, beschließt jedoch, das gemeinsame Experiment zu vollenden. Sie verbindet Wills Gehirn mit dem Computer und bewirkt so eine Verschmelzung von Geist und Maschine. Obwohl Max Waters (Paul Bettany), ein Freund und Kollege, die Forschung der Casters eigentlich skeptisch beäugt, steht er Evelyn tatkräftig zur Seite. Gemeinsam erschaffen sie ein hochintelligentes Computerwesen, das schon bald nach weiterer Energiezufuhr verlangt und beängstigende Allmachtsfantasien entwickelt. Sehr zum Missfallen der Technik-Terroristen rund um Bree (Kate Mara) und des FBI, das sich Unterstützung von Wills Mentor Joseph Tagger (Morgan Freeman) holt.

Die guten und bösen Rollen sind in Transcendence alles andere als klar verteilt. Während Will und seine Frau im Hinblick auf ihre Forschung von einer besseren Welt träumen, blenden die beiden Wissenschaftler – wohl eher unbewusst – die Schattenseiten ihres Handelns aus. Überdeutlich wird dies, als Will bei seinem Vortrag von einem Zuhörer gefragt wird, ob er Gott spielen wolle. Ein Einwurf, den der Experte mit einer relativierenden Bemerkung beiseiteschiebt. Letztlich ist es aber genau das, was Wills kurz darauf zum Leben erweckte Computerexistenz anstrebt. Nicht umsonst leitet sie die flüchtende Evelyn dazu an, ein unbedeutendes Wüstenstädtchen in ein riesiges Laboratorium zu verwandeln, um dort heimlich nanotechnologische Experimente durchzuführen, die Menschen heilen (nicht nur hier sprießt christliche Symbolik) und unverwundbar machen sollen. Zu den guten Absichten und Mad-Scientist-Bezügen gesellt sich außerdem ein besonders starkes emotionales Moment. Evelyn ist keine Profitforscherin, sondern eine trauernde Ehefrau, die den (körperlichen) Verlust ihres Mannes mit der Einspeisung seines Geistes in den Rechner ungeschehen machen will.

Auch Bree und die Terroristengruppe entziehen sich einer allzu eindeutigen Zuschreibung. Einerseits ruft ihr aggressives und gewaltsames Auftreten Verachtung hervor. Andererseits sind die Warnungen der Aktivisten durchaus berechtigt angesichts der zunehmenden Bedrohung, die vom Computerwesen und seinem unkontrollierten Forschungsdrang ausgeht. Mit Hilfe seiner Ehefrau strebt Maschinen-Will nicht nur eine neue, von unglaublichen Regenrationskräften geprägte Welt an. Er arbeitet zudem an einer personalen Vernetzung, was schließlich zu der absurden wie entsetzlichen Möglichkeit führt, dass (der digitale) Will durch andere Figuren zu Evelyn spricht. Individualität und Selbstständigkeit, urmenschliche Eigenschaften, werden damit obsolet. Eine zentrale Rolle bei der ambivalenten Sympathieverteilung spielt überdies Max Waters, der zwischen großer Skepsis und freundschaftlicher Verbundenheit schwankt und in gewisser Weise als Stellvertreter des Zuschauers fungiert.

Dass Transcendence sein keineswegs uninteressantes Figurenpersonal und die spannenden Fragestellungen zur Vermenschlichung der Technik nicht gewinnbringend ins Feld führen kann, dürfte vor allem der unentschlossenen Vorlage geschuldet sein. Drehbuchnovize Jack Paglen vermengt eine Reihe unterschiedlicher Einflüsse, ordnet diese aber nur selten wirkungsvoll an. Spätestens nach Evelyns Flucht holpert die Handlung zwischen melodramatischer Romanze, Scifi-Schauergeschichte, Thriller und Actionfilm hin und her, wobei viele Übergänge mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Motivationen ändern sich urplötzlich, und logische Unstimmigkeiten drängen sich dem Zuschauer geradezu auf, da ein starker Spannungsbogen nicht vorhanden ist. Warum das FBI und die Technik-Aktivisten eine gefühlte Ewigkeit brauchen, um die Forschungsstation in der Wüste ausfindig zu machen, ist ebenso unerklärlich wie ihr anschließend stümperhaftes Vorgehen (mit teilweise historisch anmutendem Kriegsmaterial). Thematisch werden zumeist nur noch Erkenntnisse wiedergekäut, die schon vorher Erwähnung fanden, sodass eine Vertiefung philosophisch-ethischer Problemstellungen bloßes Wunschdenken bleibt. Zu allem Überfluss degradiert der Film Nebenfiguren wie Joseph Tagger und FBI-Agent Buchanan (Cillian Murphy) en passant zu belanglosen Stichwortgebern. Das ist ebenso schade wie ärgerlich, schließlich wurden beide Rollen mit arrivierten Darstellern besetzt.

Selbst in optischer Hinsicht präsentiert sich Transcendence seltsam unausgewogen, was doch verwundern muss, da Kameraspezialist Pfister bereits mehrfach bewiesen hat, dass er visionäre Bildkompositionen zu kreieren versteht. Dominieren anfangs vor allem dunkle, unspektakuläre Innenräume, in denen Menschen vor Computermonitoren zu sehen sind, kann der Film zumindest in der zweiten Hälfte mit dem futuristisch gehaltenen Laboratorium und einem riesigen Solarzellenfeld einige visuelle Ausrufezeichen setzen. Gleichwohl wird man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl los, dass der Film viel zu wenig aus seiner hochaktuellen und reizvollen Thematik herausholt.
 

Transcendence (2014)

Wie weit sollen wir unsere technischen Möglichkeiten ausreizen? Bis wohin darf der Mensch in seinem Streben nach stetigem Fortschritt gehen? Und was passiert, wenn Maschinen plötzlich ein Bewusstsein entwickeln? Fragen, denen Science-Fiction-Romane und -Filme seit Ewigkeiten nachspüren, die heute allerdings dringender denn je in den Mittelpunkt rücken, da die Technisierung unserer Lebenswelt immer weiter um sich greift. Nicht von ungefähr ist im Kino seit einiger Zeit ein regelrechter Trend auszumachen, was die Durchleuchtung der digitalen Gegenwart betrifft.

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Meinungen

Sven · 09.06.2014

Hallo,

Sehr zeitgemäßer Film nicht aus der Zukunft oder so ein scheiß sondern sehr realistisch.Könnte in ein paar Jahren soweit sein die Welt wenn Leute am Werk sind die das Verkörpern wollen.