Tour du Faso

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Helden der Landstraße und Staubpisten

Die Tour de France kennt jeder — und das nicht nur (aber leider auch) wegen der Skandale, die rund um das berühmteste Radrennen der Welt in den letzten Jahren und Jahrzehnten entstanden sind. Die Tour du Faso dürfte — zumindest in Europa — nur wenigen ausgesuchten Experten ein Begriff sein. Dabei gehören dort europäische Teams längst zum Teilnehmerfeld. Weil sich aber die Sportberichterstattung immer mehr auf die großen Ereignisse konzentriert, ist das Rennen über 1.300 staubige Kilometer in der Savanne von Burkina Faso der breiten Öffentlichkeit in Europa immer noch eher unbekannt. Der niederländische Dokumentarfilmer Wilm Huygen hat in seinem Film Tour du Faso das seit 1987 stattfindende Radrennen im Jahre 2011 begleitet — sein Film liefert faszinierende Bilder von einem hierzulande weitgehend unbekannten Sportereignis und regt zum Nachdenken an. Die Teilnehmer indes, die sich diesen Strapazen aussetzen, bleiben ein wenig im Hintergrund.
Dass das Radfahren in Burkina Faso einen ganz besonderen Stellenwert hat, sieht man auf den ersten Blick: Wohin das Augen auch schweift, sind die Menschen auf ihren zweirädrigen Gefährten unterwegs. Und es ist ganz selbstverständlich, dass ein Kind als erstes und wichtigstes Geschenk ein Rad bekommt, wie Alassane D. Ouangraoua, der Präsident des Radsportverbandes Burkina Faso stolz erläutert. Bei der Tour du Faso wird diese Begeisterung, mit der die Menschen quasi aufwachsen, noch einmal weiter geschürt, die Begeisterung, die den Pedaleuren der Savannen in den Dörfern entgegenschlägt, toppt selbst noch die Ausgelassenheit der Radsport verrückten Franzosen. Hier, in den Dörfern, durch die die Karawane rollt, spürt man noch so etwas wie die Unschuld des Radrennsportes, der in Europa längst genau jene verloren hat.

Doch es ist nicht nur die reine Freude an der Bewegung, zugleich verbirgt sich dahinter auch ein Wettkampf, der durchaus eine historische Dimension besitzt. Für die einheimischen Fahrer ist es nämlich eine Frage der Ehre, dass sie gegen die ausländischen und insbesondere europäischen Konkurrenten siegreich sein wollen, ja sogar müssen. Denn diese sind nicht nur ganz normale Teilnehmer an einem Rennen, sondern auch (immer noch) Repräsentanten des Kolonialismus, mit dessen Nachwirkungen die Menschen in Burkina Faso als einem der ärmsten Länder der Welt immer noch zu kämpfen haben. „Lieber Tod als Schande“, so lautet die Parole, die die einheimischen Fahrer antreibt —  und genauso halsbrecherisch fahren sie auch. Was insbesondere die Teilnehmer eines deutschen Teams ärgert, die die raue Fahrweise ihrer afrikanischen Kontrahenten als grob unsportlich empfinden.

Wilm Huygen nutzt die Wettkampfsituation als dramaturgisches Grundgerüst für seinen Film. Doch so ganz geht die Rechnung nicht auf. Das deutsche Team, seine Zusammensetzung und Größe, das alles bleibt bis auf zwei Fahrer im Dunkeln. Zudem sorgt das Gefühl der Überlegenheit durch die bessere Ausrüstung auch dafür, dass einem die europäischen Fahrer nicht unbedingt sympathischer werden; ihre Fokussierung auf einen Sieg erscheint vielmehr als eine Spiegelung des westlichen Leistungsdenkens, gepaart mit dem Drang nach Selbstverwirklichung.

Für die afrikanischen Teilnehmer hingegen geht es um etwas ganz anderes – einerseits um die Ehre, andererseits aber fährt bei ihnen auch stets die Hoffnung mit, es mit einem Sieg bei der Tour du Faso vielleicht doch in ein europäisches Profiteam zu schaffen. In dem bitterarmen Land ist jede Form der Hoffnung auf ein besseres Leben willkommen. Und so verwundert die Verbissenheit der Fahrer aus Burkina Faso auch nicht, sondern zeigt lediglich, mit welch unterschiedlichen Motivationen die Teilnehmer hier antreten.

Alles in allem ist Wilm Huygen mit Tour du Faso ein interessanter Einblick in ein Radrennen auf dem afrikanischen Kontinent gelungen, das nicht nur Fans des Sports gefallen dürfte. Wie unter einem Brennglas fokussiert der Film über das eigentlich Sportliche hinaus auf die Probleme, die die Menschen in Afrika beschäftigen: Die Armut, die Lasten der Vergangenheit und der sehnliche Wunsch nach einer Perspektive, gepaart mit einer unglaublichen Lebensfreude und einem Optimismus, neben dem man sich als privilegierter Europäer oftmals fehl am Platz und undankbar vorkommt.

Tour du Faso

Die Tour de France kennt jeder — und das nicht nur (aber leider auch) wegen der Skandale, die rund um das berühmteste Radrennen der Welt in den letzten Jahren und Jahrzehnten entstanden sind. Die Tour du Faso dürfte — zumindest in Europa — nur wenigen ausgesuchten Experten ein Begriff sein. Dabei gehören dort europäische Teams längst zum Teilnehmerfeld. Weil sich aber die Sportberichterstattung immer mehr auf die großen Ereignisse konzentriert, ist das Rennen über 1300 staubige Kilometer in der Savanne von Burkina Faso der breiten Öffentlichkeit in Europa immer noch eher unbekannt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen