Tod eines Handlungsreisenden

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Mann am Ende

Wie sehr sich die Rolle und das Selbstverständnis des Mannes in der Gesellschaft verändert haben und wie stark sie dennoch an traditionellen Vorstellungen und Klischees haften, sind Aspekte, die dieser Film von 1985 auch heute noch illustriert. Denn der Stoff des US-amerikanischen Dramatikers Arthur Miller, der dafür 1949 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, oszilliert zwischen historischer Bestandsaufnahme und einer bedrückenden Zeitlosigkeit, die den Zerfall eines Mannes aufzeichnet, der letztlich an den eigenen Wervorstellungen, denen er nicht mehr genügen kann, zu Grunde geht. Die Verfilmung Tod eines Handlungsreisenden / Death of a Salesman von Volker Schlöndorff mit Dustin Hoffman, John Malkovich und Kate Reid in den Hauptrollen, die nun mit umfangreichem Begleitmaterial auf DVD erscheint, ist sicherlich die berühmteste und engste Leinwandadaption des Stückes, das 1949 am Broadway uraufgeführt wurde und seitdem über Jahrzehnte hinweg immer wieder auf den Bühnen der Welt inszeniert wird – ein Klassiker, der Generationen berührt.
Willy Loman (Dustin Hoffman) ist ein mobiler Verkäufer, der dazu neigt, seinen Job zu glorifizieren. Dass die Zeiten für sein Gewerbe längst nicht mehr günstig sind und er selbst nach Jahren des permanenten Unterwegsseins in Sachen Handel kein dynamischer, erfolgreicher Vertreter mehr ist, ignoriert der alternde Mann, der sich zunehmend in deprimierende Dialoge mit der Vergangenheit verstrickt. Reibungen gibt es in der Realität mit seinem Sohn Biff (John Malkovich), den er gern als seinen strahlenden Spross präsentieren will, doch Biff weigert sich nach anfänglichen Bemühungen, in die Wertewelten seines Vaters einzusteigen, die er als illusorisch, überkommen und schließlich auch als moralisch verwerflich ablehnt, denn er entdeckt, dass sein Vater seine Mutter Linda (Kate Reid) seit Jahren betrogen hat. Willy Loman geht mit Riesenschritten einem Verfall entgegen, den er verzweifelt vor seiner Familie zu verbergen sucht, und an dessen Ende er dem schönen Schein alles opfert, was ihm noch geblieben ist – sein tristes Leben.

Eindringlich und hoffnungslos wie das Theaterstück gestaltet sich auch die Verfilmung Volker Schlöndorffs, die sich ebenso auf die bröckelnde Psyche des Handlungsreisenden und die Konflikte mit seinem Sohn als aufbegehrendem Repräsentanten einer neuen Generation konzentriert. Es ist die intensive Präsenz und Brillanz der Hauptdarsteller, die diesen Film zu einer gelungenen Variante des Stoffes werden lassen, dessen Essenz im Grunde in der Unmittelbarkeit und Reduktion einer Inszenierung auf der Theaterbühne am deutlichsten erfahrbar ist und keiner speziell filmischen Mittel bedarf. Dennoch findet Schlöndorff in nebligen, verregneten Autofahrten oder der trostlosen Darstellung der Mietskasernen starke Bilder, die die Atmosphäre bei einer Länge von über zwei Stunden verdichten und den Abgesang auf blühende Zeiten einer ganzen Gesellschaft und die Verlorenheit ihrer Individuen symbolisieren.

Ein ganz besonderes Extra stellt die Dokumentation Private Conversations von Christian Blackwood dar, die einen ausführlichen Blick auf die Hintergründe des Stoffes und einen intimen auf die Dreharbeiten wirft, während welcher beispielsweise der unvermittelte, deutlich wahrnehmbare Furz eines Darstellers das gesamte Ensemble heiter aus der ernsthaften Fassung bringt. Und in einem Gespräch, das sich ebenfalls auf einer zusätzlichen DVD mit Zugaben befindet, enthüllt Volker Schlöndorff gut gelaunt kleine Bonmots über die Zusammenarbeit mit Hollywood-Star Dustin Hoffman, der offenbar aus Eitelkeit heimlich an dem Film herumgeschnitten hat – interessante Details zu einem Klassiker, der ursprünglich für das amerikanische Fernsehen produziert wurde, in Deutschland zuerst in die Kinos kam, zu seiner Zeit einige renommierte Preise wie den Golden Globe und drei Emmys gewann und auch heute noch absolut sehenswert ist.

Tod eines Handlungsreisenden

Wie sehr sich die Rolle und das Selbstverständnis des Mannes in der Gesellschaft verändert haben und wie stark sie dennoch an traditionellen Vorstellungen und Klischees haften, sind Aspekte, die dieser Film von 1985 auch heute noch illustriert.
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